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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Anchesenamun wiedersah, und tausend Runzeln erschienen auf ihrem Gesicht. Sie eilte zu ihr, um sie zu umarmen. Anchesenamun fühlte einen Stich, als sie Imara in die Arme schloss, und Tränen schossen ihr in die Augen. Es war, als würde sie in ihre Kindheit zurückversetzt. Imaras vertrauter Geruch, ihre Liebe, ihre Fürsorge … Imara hatte Anchesenamun stets den Eindruck vermittelt, dass alles gut werden würde, egal, wie groß das Unglück auch war. Auch in den schlimmen Zeiten nach Echnatons Tod und dem Weggang aus Achetaton hatte sie ihr immer das Gefühl von Sicherheit gegeben. Inzwischen war Anchesenamun älter und reicher an Erfahrungen, sie war kein Kind mehr und wusste, dass auch Imara keine Schicksalsschläge von ihr fernhalten konnte. Trotzdem tat es gut, Imara zu spüren und sich für einige Augenblicke in ihren Armen wiegen zu lassen.
    »Meine Tochter, wie geht es dir?«, fragte Imara.
    »Ich trauere noch immer um meine kleine Tochter, die ich nie in den Armen gehalten habe«, gestand Anchesenamun. »Und meine zweite Schwangerschaft hat nicht lange gewährt, falls es überhaupt eine war. Vielleicht bin ich verflucht und kann gar keine Kinder bekommen.«
    »Sei nicht töricht! Niemand hat dich verflucht.« Imara fasste nach Anchesenamuns Händen. »Du bist eine gesunde junge Frau. Möglicherweise liegt es an deinem Gemahl. Vielleicht ist er nicht stark genug, um ein lebensfähiges Kind zu zeugen.« Imara hatte ihre Stimme unwillkürlich gedämpft.
    Anchesenamun sah sie erstaunt an. »Ist das dein Ernst? Du meinst, es könnte an Tut liegen?«
    »Es ist nicht auszuschließen«, flüsterte Imara. »Wenn ich meine Vermutung laut äußere, lande ich im Kerker, denn Tutanchamun ist ein Gott, und als Gott ist er vollkommen. Aber du weißt, dass er einen verkrüppelten Fuß hat und dass ihm ein Glied seiner Zehe fehlt. So kann es sein, dass sich der Fehler auf das Kind überträgt, das er gezeugt hat.«
    Anchesenamun schluckte heftig. »Dann … dann werde ich nie ein gesundes Kind haben, solange ich die Frau des Pharaos bin. Im Moment rührt er mich sowieso nicht an und vermeidet es sogar, mit mir zu reden. Er verachtet mich. Wahrscheinlich wird er sich bald eine Nebenfrau nehmen …«
    »Das darfst du nicht denken«, zischte Imara sogleich. »Im Übrigen gibt es Mittel und Wege …«
    Anchesenamun zog die Augenbrauen hoch. »Wie meinst du das?«
    »Man wird mich steinigen, wenn meine Worte je an die Öffentlichkeit dringen.« Imara holte tief Luft. »Du wohnst heimlich einem anderen Mann bei, dessen Leib gesund und vollkommen ist, danach schläfst du mit deinem Gemahl. Der Same beider Männer vermischt sich, und so entsteht, wenn die Götter ein Wohlgefallen haben, ein gesundes Kind.«
    Anchesenamun errötete heftig.
    »Denk in Ruhe über meinen Rat nach«, flüsterte Imara. »Du musst jetzt gar nichts dazu sagen.« Sie erhob sich.
    Anchesenamun nickte.
    »Ich weiß, es ist schwer für dich, Anchi«, sagte Imara und strich Anchesenamun zärtlich über die Haare. »Aber du bist eine starke Frau. Ich wünsche dir viel Glück! Mögen die Götter mit dir sein!«
    Imara küsste Anchesenamuns Hand, dann huschte sie zur Tür. Selket ließ sie hinaus und schob hinter ihr den Riegel vor.
     
    Wenige Nächte später hatte Anchesenamun einen eigenartigen Traum. Sie stand auf dem goldenen Wagen, mit dem Tutanchamun immer fuhr, aber diesmal war sie allein. Der Wagen wurde von vier weißen Pferden gezogen, die bunte Federn auf ihren Köpfen wippten. Anchesenamun fuhr durch Wasets Straßen. Die Stadt war wie ausgestorben, sie begegnete keinem Menschen. Auch die Hufe der Pferde machten keinerlei Geräusch. Es war, als schwebte der Wagen lautlos dahin. Anchesenamun stand aufrecht da und lenkte die Pferde. Im Traum wusste sie ganz genau, dass sie zum Amun-Tempel fahren musste, weil dort jemand auf sie wartete.
    Sie fuhr durch die Allee der Sphingen. Am anderen Ende stand eine Gestalt. Sie war größer als ein Mensch und hatte grüne Haut. Anchesenamun fuhr langsam auf den großen Mann zu und hielt in respektvollem Abstand an. Vor ihr stand Osiris, der Totengott. Er sah genauso aus wie auf den Abbildungen, die Anchesenamun schon gesehen hatte.
    »Sei gegrüßt, Anchesenamun«, sagte er mit wohlklingender Stimme. Seine dunklen Augen richteten sich auf sie. »Ich habe gewusst, dass du kommst und bin bereit für deine Fragen.«
    »Großer Osiris!« Anchesenamun verneigte sich. »Ich habe mir so sehr gewünscht, zu sehen, wie

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