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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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bereits über den Dächern, als Harlow den Transporter rückwärts aus der Garage fuhr. »Na, dann los, ihr drei«, sagte Jacobson. »Ich werde ein paar Stunden nach euch in Vignolles sein. Ich habe erst noch was zu erledigen.«
    Harlow unterließ es, die Frage zu stellen, was er denn erledigen müsse. Erstens wußte er, daß jede Antwort sowieso eine Lüge gewesen wäre, und zweitens kannte er die richtige Antwort: Jacobson mußte unbedingt seine Freunde in der ›Einsiedelei‹ aufsuchen, um ihnen zu berichten, was für Pech Luigi der Leichtfinger gehabt hatte. Also nickte Harlow nur und fuhr los.
    Zur unendlichen Erleichterung der Zwillinge war die Fahrt nach Vignolles keine Wiederholung der haarsträubenden Reise von Monza nach Marseille. Harlow fuhr fast gemächlich dahin. Erstens hatte er viel Zeit. Zweitens wußte er, daß sein Reaktionsvermögen durch seine Müdigkeit ziemlich beeinträchtigt war, und drittens hatte es eine Stunde, nachdem sie Marseille hinter sich gelassen hatten, zuerst leicht und dann immer heftiger zu regnen begonnen, was die Sicht erheblich einschränkte. Trotzdem erreichten sie um elf Uhr dreißig ihr Ziel.
    Harlow parkte den Transporter zwischen den Kiosks und einem großen chaletähnlichen Gebäude und kletterte, gefolgt von den Zwillingen, aus dem Führerhaus. Es regnete immer noch, und der Himmel war mit dicken, dunklen Wolken bedeckt. Harlow ließ seinen Blick über die verlassene Piste wandern, streckte sich ausgiebig und gähnte.
    »Home, sweet home«, sagte er. »Bin ich müde. Und hungrig. Wollen mal sehen, was die Kantine zu bieten hat.«
    Es stellte sich heraus, daß die Kantine nicht gerade viel zu bieten hatte, aber die drei Männer waren zu hungrig, um sich zu beklagen. Während sie aßen, füllte sich die Kantine allmählich, hauptsächlich mit Leuten, die direkt mit den Rennen zu tun hatten. Jeder kannte Harlow, aber kaum jemand gab es zu erkennen, was Harlow nicht zu verletzen schien. Gegen zwölf stieß er seinen Stuhl zurück und ging auf die Tür zu. Als er gerade nach der Klinke greifen wollte, öffnete sich die Tür, und Mary kam herein. Sie entschädigte ihn mehr als ausreichend für die unfreundliche Gleichgültigkeit der anderen. Sie lächelte ihn freudestrahlend an, fiel ihm um den Hals und drückte sich ganz fest an ihn. Harlow räusperte sich und blickte sich in der Kantine um, in der die Gäste ihm jetzt erheblich mehr Aufmerksamkeit widmeten als zuvor.
    »Ich dachte, du seist schüchtern«, sagte er.
    »Bin ich auch. Aber ich falle doch jedem um den Hals, das weißt du doch.«
    »Na, vielen Dank.«
    Sie rieb sich die Wange. »Du bist kratzig und ungewaschen.«
    »Was erwartest du von einem Gesicht, das vierundzwanzig Stunden lang weder mit Wasser noch mit einer Rasierklinge in Berührung gekommen ist?«
    Sie lächelte. »Mr. Dunnet möchte dich gern sprechen. Drüben im Chalet. Ich verstehe allerdings nicht, warum er nicht zu dir in die Kantine kommen konnte …«
    »Mr. Dunnet wird schon seine Gründe haben, Mary. Vielleicht will er nicht mit mir gesehen werden.«
    Sie zog die Nase kraus, um ihre Ungläubigkeit zu zeigen, und trat vor ihm in den Regen hinaus. Sie hängte sich schwer an seinen Arm und sagte: »Ich hatte solche Angst, Johnny! Solche Angst!«
    »Und das nicht zu Unrecht«, sagte Harlow düster. »Es ist eine gefährliche Aufgabe, einen Transporter nach Marseille und wieder zurückzubringen.«
    »Johnny!«
    »Entschuldige.«
    Sie liefen durch den Regen zum Chalet hinüber, die hölzernen Treppen hinauf und über die Veranda ins Haus. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, zog Mary Harlows Kopf zu sich herunter und küßte ihn. Es war weder ein schwesterlicher noch ein sonstwie platonischer Kuß. Harlow blinzelte angenehm überrascht.
    »Aber das mache ich nicht mit jedem«, sagte sie.
    »Du bist ein kleiner Frechdachs, meine liebe Mary.«
    »Ja. Aber ein lieber kleiner Frechdachs.«
    »Ich glaube schon.«
    Rory beobachtete die Szene vom Kopf der Treppe aus. Er machte ein geradezu furchterregend finsteres Gesicht, war aber klug genug, blitzschnell zu verschwinden, als Mary und Harlow sich umdrehten und auf die Treppe zugingen: Rory hatte seine letzte Begegnung mit Harlow noch in zu schlechter Erinnerung.
    Zwanzig Minuten später saß Harlow – frisch geduscht und rasiert, aber immer noch sehr müde – in Dunnets Zimmer. Der Bericht, den Harlow ihm von seinen nächtlichen Erlebnissen gegeben hatte, war kurz und knapp gewesen,

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