Dem Sieger eine Handvoll Erde
hatte jedoch alle wichtigen Tatsachen enthalten.
»Und jetzt?« fragte Dunnet.
»Ich fahre sofort nach Marseille zurück. Und zwar mit meinem Ferrari. Ich gehe zu Giancarlo und hole die Photos, und dann mache ich Luigi dem Leichtfinger einen Höflichkeitsbesuch.«
»Wird er singen?«
»Wie eine Nachtigall. Wenn er auspackt, wird die Polizei vergessen, daß sie seine Pistole und sein Messer je gesehen hat, und damit erspart er sich fünf Jahre Tütenkleben oder Steinbrucharbeit oder was es sonst noch für schöne Freizeitbeschäftigung gibt. Luigi kommt mir nicht gerade wie der edelste aller Römer vor.«
»Wie kommen Sie hierher zurück?«
»Mit dem Ferrari.«
»Aber ich dachte, James hätte gesagt, daß …«
»Daß ich ihn in Marseille lassen sollte? Ich werde ihn in der unbenutzten Scheune unten an der Straße lassen. Ich brauche den Ferrari heute abend. Ich will nämlich in die ›Einsiedelei‹ einbrechen. Ich brauche eine Waffe.«
Fast fünfzehn schier endlose Sekunden lang saß Dunnet regungslos da, ohne Harlow anzusehen. Dann holte er seine Schreibmaschine unter seinem Bett hervor, drehte sie um und nahm die Bodenplatte ab. Sie war mit Filz beklebt und mit sechs Paar Federklammern ausgestattet. Und von diesen Klammern wurden zwei automatische Pistolen, zwei Schalldämpfer und zwei Reservemagazine festgehalten. Harlow nahm sich die kleinere der beiden Pistolen, einen Schalldämpfer und ein Reservemagazin. Er ließ das in der Pistole befindliche Magazin herausrutschen, untersuchte es und schob es wieder an seinen Platz. Dann steckte er die drei Gegenstände in die Innentasche seiner Lederjacke und zog den Reißverschluß zu. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.
Sekunden später war er bei MacAlpine. Das Gesicht des ehemals so wohlaussehenden Mannes war grau, er litt ganz offensichtlich an einer schweren Krankheit, die sich jeder ärztlichen Diagnose entzog. »Gehen Sie schon wieder?« fragte er. »Sie müssen doch völlig erschöpft sein.«
»Das werde ich wahrscheinlich erst morgen früh merken«, entgegnete Harlow.
MacAlpine schaute zum Fenster hinaus. Der Regen hatte sich jetzt zu einem dichten Vorhang entwickelt. MacAlpine drehte sich wieder zu Harlow um und sagte: »Ich beneide Sie nicht um die Fahrt nach Marseille. Aber laut Wettervorhersage soll das Wetter heute abend bereits wieder gut sein. Dann werden wir auch den Transporter entladen.«
»Ich glaube, Sie wollen mir etwas sagen, Sir.«
»Nun, ja, das stimmt«, gab MacAlpine zögernd zu. »Ich glaube, Sie haben meine Tochter geküßt.«
»Das ist eine glatte Lüge. Sie hat mich geküßt. Irgendwann werde ich Ihren lieben Sohn doch noch einmal windelweich schlagen.«
»Meinen Segen haben Sie«, sagte MacAlpine müde. »Haben Sie bezüglich meiner Tochter irgendwelche Pläne?«
»Nicht daß ich wüßte. Aber fest steht, daß sie bezüglich meiner Person Pläne hat.«
Harlow verließ das Zimmer und stieß draußen auf dem Flur buchstäblich mit Rory zusammen. Sie musterten einander eingehend. In Harlows Augen lag Nachdenklichkeit, Rorys Augen drückten unmißverständlich Ängstlichkeit aus.
»Aha!« schnaubte Harlow. »Man hat also schon wieder gelauscht! Das ist doch fast so schön wie Spionieren, was Rory?«
»Ich soll gelauscht haben? Nie im Leben! So was tue ich nicht.«
Harlow legte ihm freundlich den Arm um die Schultern.
»Rory, mein lieber Junge, ich habe Neuigkeiten für dich: Ich habe nicht nur die Erlaubnis deines Vaters, dich einmal so richtig zu vermöbeln, er hat mir sogar seinen Segen dazu gegeben.«
Harlow klopfte Rory väterlich auf die Schulter, aber in dieser Geste lag eine deutliche Drohung. Harlow ging lächelnd die Treppe hinunter. Unten erwartete ihn Mary.
»Kann ich mit dir sprechen, Johnny?«
»Sicher. Aber auf der Veranda. Das schwarzhaarige junge Ungeheuer hat hier drin wahrscheinlich überall Abhöranlagen installiert.«
Sie traten auf die Veranda hinaus und machten die Tür hinter sich zu. Der Regen fiel jetzt so dicht, daß man nicht einmal über den ganzen verlassenen Flugplatz schauen konnte.
»Leg deinen Arm um mich, Johnny!« sagte Mary.
»Gehorsamer Diener, Mylady. Und sozusagen als Bonus lege ich alle beide um dich.«
»Bitte sprich nicht so, Johnny. Ich habe Angst. Ich habe ununterbrochen Angst. Um dich. Es geht etwas Schreckliches vor, nicht wahr, Johnny?«
»Was sollte das denn sein?«
»Oh, du bist gräßlich!« Sie wechselte das Thema. »Fährst du nach
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