Dem Tod auf der Spur
Tatbestand der fahrlässigen Tötung angelastet wird. Was allerdings die Täter in unserem Fall, wie auch in vielen anderen, offenbar nicht wussten, war, dass wir Rechtsmediziner eben anhand der Vitalzeichen sehr genau feststellen können, ob die Person zum Zeitpunkt der Kollision schon tot war oder nicht, und uns aufgrund der Obduktionsbefunde immer ein sehr klares Bild davon machen können, was während und nach dem Tod mit dem Betreffenden passiert ist.
Aufgrund der Tatsache, dass der Mann nach den Obduktionsbefunden einige Hundert Meter von einem Auto mitgeschleift worden war, konnte die Stelle, wo er abgelegt worden war, ein beträchtliches Stück vom Fundort entfernt liegen.
Die trockene Witterung half den Ermittlern ein weiteres Mal. Mehrere Kilometer von der Stelle entfernt, ander der Briefträger die Leiche von Nölle entdeckt hatte – dass es sich um den 32-jährigen Bertram Nölle handelte, war in der Zwischenzeit per DNA-Abgleich zweifelsfrei ermittelt worden –, wurden die Schuhe sowie die abgerissene Armbanduhr des Toten auf der Straße entdeckt. Beim Ablaufen der Strecke zwischen dem Fundort der Schuhe und der Stelle, an der der tote Nölle gelegen hatte, fanden die Spurensucher der Kripo weitere Teile seiner Jeanshose und Fetzen seiner Lederjacke.
Bertram Nölle war anscheinend 9,5 Kilometer mitgeschleift worden. Bei Pkw-Unfällen beträgt die Mitnahmestrecke meist nur wenige Meter. Zu einem kilometerweiten Mitschleifen des Opfers kann es eigentlich nur dann kommen, wenn dem Fahrer in stark alkoholisiertem Zustand gar nicht auffällt, dass er die ganze Zeit einen Menschen unter seinem Wagen mitschleift, oder wenn er in Panik gerät und weiterrast, in der Hoffnung, den Mitgeschleiften so wieder loszuwerden.
Zum Mitschleifen kommt es gewöhnlich, wenn sich die Kleidung des Unfallopfers an der Unterseite des Autos verhakt, wie es auch bei Nölle geschehen war. Wenn der Fahrer die Richtung wechselt oder die Fahrbahn starke Unebenheiten aufweist, kann sich das Opfer von der Unterseite des Pkw lösen. In unserem Fall verhielt es sich so, dass die Kleidung von Bertram Nölle, die sich an der Unterseite des Chassis verhakt hatte, dem Zug des Fahrzeugs erst nach knapp zehn Kilometern nicht mehr standhielt und zerriss. Nachdem der Körper sich vom Fahrzeug gelöst hatte, rutschte er noch einige Meter über die Straße und rollte schließlich den Abhang hinunter, wo ihn dann der Briefträger entdeckte.
Anhand des Strafregisters des Opfers und anschließender Zeugenvernehmungen konnten sich die Ermittler bald ein klares Bild von den Geschehnissen machen, die zum Tod von Bertram Nölle geführt hatten. Er war im Zuhältermilieu aktiv gewesen. In einer Ortschaft nahe der Landstraße, neben der die Leiche gefunden wurde, gab es ein Bordell, wie man es an manchen Landstraßen Deutschlands findet. Abgelegen und deshalb attraktiv für Betreiber und Besucher gleichermaßen: diskrete Lage für die Kunden und gute Lage für die Betreiber, nämlich fernab jeglicher großstädtischer polizeilicher Aufmerksamkeit. Hier traf sich regelmäßig eine Zuhälterbande, zu der auch Nölle gehörte, um ihre Aktivitäten zu planen. Durch intensive Verhöre mehrerer mutmaßlicher Tatverdächtiger machten die Ermittler schließlich nicht nur die Mitglieder des Zuhälterringes ausfindig, die an der Tötung beteiligt waren, sondern entdeckten auch bei einem der Tatverdächtigen den dabei verwendeten Totschläger.
Nölle hatte Zahlungsrückstände bei den anderen Bandenmitgliedern gehabt. Um den Forderungen zu entgehen, hatte er diese mit seinem Insiderwissen über kriminelle Aktivitäten erpresst, von denen die Ermittlungsbehörden noch nichts wussten. Die Beamten erfuhren in ihren Verhören, dass Bertram Nölle am Abend vor dem Auffinden seiner Leiche zu später Stunde von drei Bandenmitgliedern in seiner Wohnung aufgesucht worden war. Gemeinsam waren die vier zu einem Parkplatz an der Landstraße gefahren, nahe derStelle, an der Nölles Körper später von einem Pkw erfasst worden war, »um in Ruhe zu reden«. Als man sich nicht hatte einigen können, hatten sich die Bandenmitglieder, so die Aussage eines der Beteiligten, dazu entschlossen, »dem Nölle eine Lektion zu erteilen« und ihn zusammenzuschlagen. Er selbst habe Bertram Nölle zwar »mit verprügelt«, der tödliche Hieb mit dem Totschläger sei aber vom Anführer der Bande geführt worden. Als die drei merkten, dass Nölle tot war, legten sie seine Leiche in
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