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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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kann ein Mensch mitten auf der Straße einen Herzschlag erleiden, sofort sterben und dann überfahren werden. Gerade in solchen Fällen ist eine Obduktion durch die Rechtsmedizin auch deshalb unerlässlich, weil sie den beteiligten Autofahrer vor einer fälschlichen Anklage wegen fahrlässiger Tötung bewahren kann, indem sie das Fehlen von Vitalzeichen feststellt. Schwieriger wird der Nachweis der Unschuld (oder geringeren Schuld) allerdings bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit des Fußgängers und einem kurz darauf folgenden Überfahren. So kann jemand einen Schwächeanfall erleiden, dabei aber noch leben, überfahren oder überrollt werden und dann sterben. Vitalzeichen wie Hämatome oder Blutaspiration zeigen in solch einem Fall, dass das Unfallopfer bei der Kollision noch gelebt hat und erst an den Folgen des Unfalls gestorben ist, verraten aber nichts über die Bewusstlosigkeit.
    Bevor wir allerdings weiter in diese Richtung dachten, fanden wir den entscheidenden Hinweis. Nach der routinemäßigen Reinigung des Kopfes, bei der Schmutz und Öl entfernt wurden, und nach der Rasur der noch erhaltenen Teile der behaarten Kopfhaut entdeckten wir am Hinterkopf des Toten insgesamt drei nahe beieinanderliegende, aber gut voneinander abgegrenzte rundliche Hämatome von jeweils 1,5 Zentimeter Durchmesser. Alle drei Hämatome waren, im Gegensatz zu allen anderen, kräftig unterblutet, also zu Lebzeiten entstanden. Von oben nach unten zeigten alle drei Hämatome jeweils zwischen ein und zwei Zentimeter messende, strichförmig unterblutete Ausläufer. Bei einem solchen Befund klingeln bei jedem Rechtsmediziner die Alarmglocken, denn diese Art Hämatome passen zu einer einschlägig bekannten Schlagwaffe. Als wir das knöcherne Schädeldach am Hinterhaupt des Toten untersuchten, wurde unser Verdacht bestätigt: Wir fanden drei sogenannte »Impressionsfrakturen«, lochartig ausgestanzte Brüche als Folge einer lokal begrenzten, also nicht großflächigen, Gewalteinwirkung. In diesem Fall hatten die drei Impressionsfrakturen am Hinterkopf dieselbe Form wie die zuvor festgestellten Hämatome und maßen ebenfalls jeweils1,5 Zentimeter. Das unter den Schädelfrakturen noch vorhandene Hirngewebe zeigte kräftige dunkelrotschwarze Einblutungen. Diese Verletzungen belegten zweifelsfrei, dass der Mann, der vor uns auf dem Sektionstisch lag, mit einem »Totschläger« umgebracht worden war.
    Der Totschläger ist für den Fischfang entwickelt worden und war ursprünglich ein Stoffbeutel, gefüllt mit einer Eisenkugel oder einem anderen schweren Gewicht. In einigen Ländern wird ein solcher Totschläger immer noch verwendet, um Fische mit einem Schlag auf den Kopf zu töten. Die technische Weiterentwicklung dieser Waffe ist heute meist aus Metall und besteht aus einem Griff, der sich fortsetzt in einem aus biegsamem Stahl gefertigten, bis zu 30 Zentimeter langen stockartigen Mittelteil, an dessen Ende sich eine etwa tischtennisballgroße Metallkugel, meist aus Blei, befindet. Durch den damit verbundenen Peitscheneffekt der Metallkugel und die daraus resultierende immense Verstärkung der Schlagkraft hinterlässt der Einsatz eines Totschlägers am menschlichen Körper schwerste, auch innere Verletzungen. Bei Schlägen auf den Kopf können, wie es hier der Fall war, Schädelbrüche die Folge sein. Totschläger zählen in Deutschland nach dem Waffenrecht zu den gefährlichen Gegenständen und sind gesetzlich verboten.
    Der Mann auf unserem Seziertisch war also mit einem Totschläger mehrfach am Kopf getroffen worden. Dabei war sein Schädel gebrochen, und er war an den Folgen dieses Schädel-Hirn-Traumas gestorben – ehe er von einem Fahrzeug auf der Landstraße überfahren und mitgeschleift wurde. Die Frage, wer den Mann mit dem Totschläger umgebracht hatte, mussten nun die Ermittler beantworten. Unsere Aufgabe als Rechtsmediziner war damit beendet. Wir hatten der Polizei aufgrund der Obduktionsbefunde ein klares Bild davon geben können, was vor und nach dem Tod mit Bertram Nölle passiert war.
    Die Arbeitshypothese der Ermittler lautete, dass die Täter ihr Opfer im Schutz der Dunkelheit zu einer wenig befahrenen Landstraße getragen und dort abgelegt hatten, um die Polizei zu täuschen, indem sie die Szenerie so herrichteten, dass es aussah, als hätte die Kollision mit dem Pkw den Tod des Mannes herbeigeführt. In solchen Fällen nehmen die Täter bereitwillig in Kauf, dass einem eigentlich unschuldigen Autofahrer z. B. der

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