Dem Tod auf der Spur
einiger Entfernung auf der Landstraße ab.
»Die Bullen denken dann halt, der Autofahrer hat ihn totgefahren. Das fällt denen bestimmt nicht auf.« So fasste eines der Bandenmitglieder ihren Plan zusammen.
Dass wir Rechtsmediziner uns nicht hatten täuschen lassen und das wahrscheinlichste Szenario erkannt hatten, erfuhren die drei Schläger im Gerichtssaal. Der mehrfach wegen Körperverletzung, Menschenraub und räuberischer Erpressung vorbestrafte und zur Zeit der Tat unter Bewährungsstrafe stehende Kopf der Bande wurde als Haupttäter wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seine beiden wegen schweren Raubes mit Körperverletzung ebenfalls vorbestraften Komplizen wurden wegen Körperverletzung und Beihilfe zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben bzw. acht Jahren Haft verurteilt.
Der Fahrer des Fahrzeugs, das Nölle kilometerweit bei voller Fahrt mitgeschleift hatte, wurde nie ermittelt. Er hatte Nölle nicht getötet und somit auch nichts mit dessen Tod zu tun. Vielleicht hat er Fahrerflucht begangen, um von einer eigenen Straftat abzulenken. Möglich, dass er auf der Flucht war und sich durch das Geschehene nicht in den Fokus des Interesses bringen wollte.
Wahrscheinlicher ist meines Erachtens etwas anderes: dass einer der zahlreichen Autofahrer, die Alkohol am Steuer noch immer für ein Kavaliersdelikt halten, deutlich über 0,5 Promille Alkohol im Blut hatte und entweder nicht erwischt werden wollte oder nicht einmal etwas davon mitbekam, dass für die holperige Fahrt nicht der Fahrbahnbelag verantwortlich war. Aber das ist diesmal ausnahmsweise nur eine Vermutung.
Tod auf Knopfdruck
In der Sauna liegt eine tote Frau mit einer Stichwunde in der Brust, neben ihr eine Thermoskanne.
Frage: Was ist da passiert?
Antwort: Die Frau wurde mit einem Eiszapfen erstochen, den der Mörder in der Thermoskanne mit in die Sauna gebracht hatte. Anschließend ist der Eiszapfen geschmolzen, daher wurde nie eine Tatwaffe gefunden.
Mitten im Wald hängt in den Ästen eines Baumes ein lebloser Taucher in voller Montur.
Frage: Wie kam er dahin?
Antwort: Es gab einen Waldbrand, der mit Löschflugzeugen bekämpft wurde. Beim Auftanken auf dem benachbarten See hat die Ansaugdüse eines der Flugzeuge den Taucher erwischt und erst beim Löschen über dem Wald wieder abgeworfen.
Nein, die beiden Geschichten stammen nicht aus meinem Arbeitsalltag. Ich habe sie dem reichen Fundus der sogenannten »Black Stories« entnommen. Black Stories heißen auch Denkpuzzles, Mysteries oder Rätsel-Krimis und sind, wie es auf einer Website heißt, »knifflige, morbide, rabenschwarze Geschichten, die sich so oder ähnlich zugetragen haben könnten«. Vielleicht habenSie ja selbst schon einmal das dazugehörige Kartenspiel gespielt. Dabei werden die Spielkarten in einem Stapel mit der Vorderseite nach oben auf den Tisch gelegt. Der »Gebieter« nimmt die oberste Karte und liest die Geschichte vor. Danach stellen die Spieler Fragen, warum sich dieses Geschehen gerade so und nicht anders ereignet hat. Dabei dürfen nur Fragen gestellt werden, die sich mit Ja oder Nein beantworten lassen. So pirscht sich das anwesende Ratevolk Stück für Stück an die Lösung heran, die auf der Kartenrückseite steht. Manchmal tappt es aber auch bis zum Schluss im Dunkeln…
Inzwischen erfreuen sich derartige Rätsel auch ohne dazugehörige Karten großer Beliebtheit, auf Reisen ebenso wie im Internet. Dabei liegt ein Großteil des Vergnügens sicher darin, sich immer wieder neue Rätselstorys auszudenken. Und dabei sind der morbiden Phantasie der Mitspieler keinerlei Grenzen gesetzt.
Nun ist mein Beruf kein Spiel. Und weder Ermittler noch Rechtsmediziner kommen dem Tod auf die Spur, indem sie einer Spielanleitung folgen. Aber der Fall des 78-jährigen Jägers, an dem ich rechtsmedizinisch beteiligt war, erfüllt die zwei Hauptkriterien für eine gute Black Story: ein ungewöhnliches Szenario und eine noch unwahrscheinlichere Lösung.
Hier also unser Rätsel:
Zwei Jäger gehen abends gemeinsam in den Wald. Jeder von ihnen hat einen Ansitzwagen: einen kleinen, mobilen Hochsitz von der Größe eines Pferdewagens, ausgestattet mit einem Stuhl und mehreren Fenstern.Die Ansitzwagen der beiden stehen dreihundert Meter auseinander und sind für den jeweils anderen Jäger außer Sichtweite. Der 78-jährige Otto Wächter und der 55-jährige Jürgen Mertens machen einen Treffpunkt aus, an dem sie sich am nächsten Morgen um acht Uhr
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