Dem Tod auf der Spur
angetrockneten rötlichen Flüssigkeit, sehr wahrscheinlich Blut, beschmutzt waren. Auf dem Rasen unter dem Toten fanden sich keinerlei Blutspuren.
»Als wäre er vom Himmel gefallen«, sagte einer der Ermittler zu mir, als ich am Ort des Geschehens eintraf.Der Notarzt hatte nur noch den Tod des Mannes feststellen können und die Szenerie bereits wieder verlassen.
Der Leichenfundort wurde weiträumig mit »Flatterband« (so bezeichnet, weil es bei Tatorten im Freien wie hier so schön im Wind flattert) und Polizeiwagen abgesperrt, während sich eine Menge interessierter Passanten und erste Reporter einfanden. Ehe ich den Leichnam näher untersuchen konnte, machten sich die Kriminaltechniker von der Spurensicherung an ihre Arbeit und begannen mit der Sicherung von textilen Faserspuren.
Die kriminaltechnische Sicherstellung und anschließende Untersuchung von Faserspuren, auch als Textilspuren bezeichnet, kommt dann zum Einsatz, wenn es zum Beispiel darum geht, den Kontakt zwischen zwei Personen (beispielsweise einem Tatverdächtigen und dem Opfer eines Tötungsdeliktes) oder den Aufenthalt einer Person an einem Tatort nachzuweisen. Hierbei macht sich die Kriminaltechnik die Tatsache zunutze, dass jeder Mensch ständig kleinste Textilfasern aus seiner Umgebung, wie z. B. von Kleidungsstücken oder Möbelstoffen, aufnimmt, aber auch von der von ihm getragenen Kleidung an seine Umwelt abgibt. Solche Faserspuren werden ganz besonders bei engen und intensiven körperlichen Kontakten, wie z.B. einer Rangelei zwischen zwei Personen, übertragen. Faserspuren sind sogenannte Mikrospuren, also mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen, können aber mit kriminaltechnischen Untersuchungsmethoden leicht gesichert und sichtbar gemacht werden.
Bei der Sicherstellung von Faserspuren durch die Beamten der Spurensicherung bei einem potentiellen Tötungsdelikt wird die Bekleidung des Toten Zentimeter für Zentimeter mit durchsichtigem Plastikklebeband abgetastet. Um nicht Textilfasern ihrer eigenen Bekleidung auf die zu untersuchende Kleidung zu übertragen, sind die Kriminaltechniker mit Ganzkörper-Overalls aus Kunststoffmaterial, Plastiküberschuhen und Gummihandschuhen bekleidet. Auf dem Spurensicherungsblatt wird detailliert vermerkt, von welcher Stelle des Kleidungsstückes die einzelnen Klebebänder, die jeweils mit Nummern versehen sind, stammen. Zusätzlich werden die auf die Bekleidung aufgebrachten Klebestreifen fotografiert. Bei der anschließenden Auswertung im Textilspurenlabor des Landeskriminalamtes kommen verschiedene mikroskopische Untersuchungstechniken zum Einsatz. Aus der Zusammensetzung, dem Zustand und Verteilungsbild von Faserspuren lassen sich oft wertvolle Hinweise zur Rekonstruktion eines Tatgeschehens gewinnen oder auch Tatverdächtige einem Tatort zuordnen. Faserspuren haben vor Gericht eine ähnlich hohe Beweiskraft wie Fingerabdrücke. Um das Faserspurenbild nicht zu verändern, sind die »Textiltechniker«, wie sie auch genannt werden, stets die Ersten, die einen Leichnam untersuchen, ehe Rechtsmediziner und andere Kriminaltechniker sich austoben können.
Als die Textiltechniker nach etwa 50 Minuten fertig waren, sahen wir uns den Toten genauer an. Außer den ausgedehnten Hautschürfungen im Gesicht, die mir schon beim ersten Blick auf den Mann aufgefallen waren, stellte ich fest, dass Ober- und Unterlid des linken Auges durch Hämatome dunkelblau-violett verfärbt waren. Der Mediziner spricht dabei von einem »Monokelhämatom«, da die Form der Verfärbung an ein altmodisches Monokel erinnert, den Vorläufer der Brille. Sind beide Augen von solchen Hämatomen, die üblicherweise Folge von massiver stumpfer Gewalteinwirkung sind, betroffen, sprechen wir von einem »Brillenhämatom«. Die Innenseite der Augenlider war auf der linken Seite dickschichtig unterblutet, auf der rechten Seite dagegen nicht; die Gewalteinwirkung, die den Mann wahrscheinlich getötet hatte, musste also primär seine linke Körperseite getroffen haben.
In den Unterlidern beider Augen entdeckten wir Fliegeneier. Die Existenz von Fliegeneiern in den Augen, den Nasenlöchern oder im Mund kann den Laien schnell dazu verleiten, zu glauben, dass die Person schon seit mehreren Tagen tot ist. Doch tatsächlich legen gerade im Sommer bereits wenige Stunden nach dem Tod eines Menschen Fliegen ihre Eier in Augenlider, Nasenlöcher und Mund ab.
Aber es gab noch andere Zeichen einer massiven stumpfen äußeren Gewalteinwirkung gegen das
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