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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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unter dem Organtisch.
    Bei einer schweren, lebensbedrohlichen Vergiftung reagiert der Körper mit einer massiven Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe und den Atemwegen, also den Bronchien und der Luftröhre. Wir sprechen dann von einem »toxischen Lungenödem«. Bei dieser Reaktion spielt es keine Rolle, ob die Intoxikation von großen Mengen Alkohol, Drogen wie Heroin, Kokain oder Amphetaminen (Speed) oder durch eine Überdosis Medikamente hervorgerufen wurde. Und sie fällt auch immer einigermaßen gleich (»uniform«) aus, unabhängig davon, wie der Giftstoff in den Körper gelangt ist, alsoob durch den Mund (im Essen oder Trinken), die Venen (gespritzt) oder über die Atemwege (inhaliert).
    Bei einem solchen toxischen Ödem kommt es zum Flüssigkeitsübertritt aus den kleinen Kapillargefäßen der Lunge in die mit Atemluft gefüllten Lungenbläschen. Die so mit Flüssigkeit gefüllten Lungenbläschen können den Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Beim Lebenden äußert sich das in brodelnden Atemgeräuschen, die sich anhören, als würde man mit einem Strohhalm Luft in eine noch halbgefüllte Cola-Dose blasen. Folgen des Ödems sind Atemnot, Erstickungsanfälle und – ohne äußerst zügige intensivmedizinische Hilfe – der Tod.
    Die toxikologische Untersuchung des Inhalts der 26 intakten Päckchen, die wir im Dünndarm des Toten gefunden hatten, beantwortete im Grunde schon die Frage, was das Lungenödem hervorgerufen und Horacio Galvis Corzo getötet hatte: Kokain, und zwar nahezu ungestreckt. Den Beweis lieferte die toxikologische Untersuchung von Blut und Urin, denn dort ließ sich dieselbe Substanz nachweisen.
    Warum transportiert ein Mann Kokain in seinem Körper? Die Antwort ist so banal wie erschreckend: Weil der Körper so ziemlich das einzige Transportmittel ist, in das man nicht ohne weiteres hineinschauen kann. In Zeiten, da die Zollbehörden die Überwachung des »grenzüberschreitenden Warenverkehrs«, wie es so schön auf Amtsdeutsch heißt, nicht auf manuelle Gepäckkontrollen und Leibesvisitationen beschränken, sondern auch mit dem Einsatz von Durchleuchtungsgeräten und Drogensuchhunden sehr effektiv gegenDrogenschmuggler vorgehen können, mussten sich organisierte Drogenkartelle etwas einfallen lassen, um im Geschäft zu bleiben. Also verfielen sie auf einen perfiden Trick, um den Zoll zu täuschen und den internationalen Drogenhandel – insbesondere den schnellen Transfer von Drogen aus Südamerika nach Europa mit dem Flugzeug – trotz schärfster Kontrollen am Laufen zu halten: Drogen dort zu verstecken, wo kein Zollbeamter hinschauen und kein Drogenhund sie erschnüffeln kann – im Körper von eigens dafür angeheuerten Männern und Frauen.
    Horacio Galvis Corzo war als Drogenkurier, auch »Bodypacker« genannt, unterwegs gewesen und an seiner »geladenen Ware« gestorben.
    Der Schmuggel von Betäubungsmitteln im Magen-Darm-Trakt wird vorrangig genutzt, um größere, nicht zum Eigenbedarf bestimmte Mengen zu transportieren. Die Drogen werden in kleine Plastikbeutel oder auch in Kondome, Fingerlinge von Gummihandschuhen oder Luftballons verpackt. Wenige Stunden bevor der Bodypacker das Flugzeug besteigt, schluckt er zwischen 20 und 30 prall mit Kokain (seltener Heroin, Amphetamine oder Designerdrogen) gefüllte Plastikbeutel ( bodypacks ).
    Direkt vor dem Flug nimmt der Kurier zudem Antidiarrhoika (Mittel gegen Diarrhö, also Durchfall) ein. Diese Medikamente hemmen und verlangsamen die Darmperistaltik oder auch Darmmotorik und damit den Weitertransport des Darminhaltes. Damit soll verhindert werden, dass der Drogenkurier oder Bodypacker die Ware früher als beabsichtigt ausscheidet.
    Am Zielort angekommen, werden ihm dann Laxantien(Abführmittel) verabreicht, denn jetzt ist es ja Zeit zur Warenübergabe.
    In Südamerika ist der Drogenschmuggel per Körper mittlerweile perfektioniert worden. Die großen Drogenkartelle dort bilden neu angeworbene Drogenkuriere regelrecht aus. Die Anwärter werden in Lagern buchstäblich kaserniert und müssen dort lernen, ihren Darm an die bevorstehenden Belastungen zu gewöhnen. Dafür müssen sie große Mengen unzerkaute pflaumengroße Trauben schlucken. Dann wird durch Antidiarrhoika ihre Darmperistaltik so weit gehemmt, dass die Früchte im Darm nicht weitertransportiert werden und der Stuhldrang über 36 Stunden und mehr von den Betreffenden unterdrückt werden kann. Dies entspricht in etwa der Dauer ihrer Reise

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