Dem Tod auf der Spur
über den Atlantik vom Abflugort zum Bestimmungsort der Drogen, kleinere unvorhersehbare Verzögerungen und Transferaufenthalte eingerechnet. In diesen »Trainingslagern« wird den zukünftigen Drogenschmugglern auch beigebracht, wie sie sich bei der Einreise in ihr Bestimmungsland am Zielort zu verhalten haben. Meist führen die Bodypacker überhaupt kein Reisegepäck mit sich, sie bekommen aber von ihren Auftraggebern einen Bargeldbetrag, der groß genug ist, um die Einreisebedingungen im Zielland zu erfüllen.
Aber manchmal helfen auch das ganze Training und die Medikamente nichts, und der Bodypacker muss doch schon einige der wertvollen Päckchen auf der Flugzeugtoilette ausscheiden. In diesem Fall hat er von seinen Auftraggebern die strikte Anweisung, die Drogenpäckchen sofort wieder zu verschlucken.
Ein Beamter der Bundespolizei erzählte mir vor einigen Jahren, dass ein Kollege vom Zoll einmal einen Bodypacker an seinem Mundgeruch erkannt habe. Der Drogenkurier hatte mehrere während des Fluges in die Flughafentoilette ausgeschiedene Drogenpäckchen wieder hinuntergeschluckt und war am Zoll durch den ebenso ungewöhnlichen wie unerfreulichen Mundgeruch aufgefallen. Vielleicht sollten die Auftraggeber den Bodypackern zusätzlich zu der großen Menge an Bargeld auch eine Zahnbürste, Zahnpasta und extrastarkes Mundwasser mitgeben…
Schon der frühzeitige Warenverlust aufgrund der natürlichen Verdauung zeigt, dass sich der menschliche Körper nur sehr bedingt als Transportmittel eignet. Und die Transportbehälter sind alles andere als sicher. Denn Kondome, Plastikfingerlinge oder Luftballons sind nicht dafür gemacht, mit Kokain oder anderen Drogen gefüllt tagelang im Magen-Darm-Trakt eines Menschen transportiert zu werden. Die Verpackungsreste, die wir im Darm des Toten gefunden hatten, zeigten uns, dass zwei der Plastikbehältnisse aufgeplatzt waren. Das dadurch freigesetzte Kokain gelangte innerhalb kurzer Zeit durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf. Und die knapp 30 Gramm waren weit mehr als genug, um den Mann an einer akuten Kokain-Intoxikation sterben zu lassen. Die tödliche Dosis liegt bei Kokain im Schnitt bei ein bis zwei Gramm. Die Drogenkuriere tragen ein Vielfaches dieser tödlichen Dosis in sich. Kein Wunder also, dass immer wieder ein solcher Kurier seinen Zielort nicht lebend erreicht.
Je nach Stabilität und Art der Verpackung kann esauch vorkommen, dass die Drogenpäckchen schon im Magen und nicht erst im Darm aufplatzen. Und was auch viele Drogendealer, die Bodypacker einsetzen, offenbar nicht wissen: Der Bodypacker kann selbst dann an einer Kokainvergiftung sterben, wenn keines der Päckchen platzt. Es genügt, wenn das Verpackungsmaterial nicht dicht genug ist. Auch der Kunststoff eines Kondoms gibt als halbdurchlässige Membran, wenn auch nur nach und nach, das Betäubungsmittel frei. Besonders Kondome erweisen sich in dieser Hinsicht als unzuverlässig. Schließlich sind sie nicht, auch nicht in ihrer originären Verwendung, für eine stundenlange Beanspruchung konzipiert. Und aufgrund ihres spezifischen Einsatzgebietes sind sie von der Kunststoffkonsistenz her auch eher dünn- als dickschichtig.
Indem das Kokain dann durch die Wand des Kondoms hindurchtritt, gelangt es zunächst unbemerkt ins Blut, bis die Dosis so hoch ist, dass es zur Vergiftung kommt. Und dann kommt für den Bodypacker jede Hilfe zu spät.
Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Mann, der einen auf den Namen Horacio Galvis Corzo ausgestellten Pass mit sich führte, einen Tag bevor er tot aufgefunden wurde aus Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, über Amsterdam nach Berlin geflogen war. Offensichtlich war er allein unterwegs gewesen. Die Studentin, die in der Maschine aus Amsterdam neben ihm gesessen hatte, sagte aus, ihr Sitznachbar habe abwesend gewirkt und sich dauernd Schweiß von der Stirn gewischt. Ferner sei er sehr blass gewesen und habe gegen Ende des etwa einstündigen Fluges mehrfachdie Flugzeugtoilette aufgesucht. Während des Landeanfluges auf Berlin habe eine Stewardess ihn durch lautes Rufen und Klopfen an der Toilettenkabinentür dazu auffordern müssen, seinen Sitzplatz wieder einzunehmen.
Die Untersuchung des Müllcontainers und der näheren Umgebung des Leichenfundortes durch die Spurensicherung verlief ebenso ergebnislos wie die Suche nach potentiellen Zeugen, die beobachtet haben könnten, wen Corzo auf dem Berliner Flughafen getroffen hatte.
Der tote Drogenkurier war ein
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