Dem Winde versprochen
Lust, Empörung, Glück. Es fühlte sich an, als wollte Blackraven in das Innerste ihres Seins vorstoßen. Sie dachte, für viele wäre das, was sie taten, Sünde. Das Gesicht ihrer Mutter, das in der Erinnerung häufig verschwamm, erschien auf einmal deutlich vor ihren Augen, und sie dachte daran, dass sie Pater Mauro, ihrem Beichtvater, nie davon erzählen durfte.
Mehrere kräftige Sklaven, darunter Servando, trugen den schweren Eichentisch für vierundzwanzig Personen in den Salon. Zwei Sklavinnen legten eine weiße Leinentischdecke darüber, dort würde das Büfett aufgebaut. Andere Hausangestellte hatten die Lüster abgenommen und bestückten sie mit frischen
Kerzen, während eine andere Gruppe sich um die Silberleuchter kümmerte. Mit etwas Glück mussten sie erst am Ende des Abends angezündet werden, wenn die Gäste allmählich aufbrachen, denn so würde der Salon an diesem heißen Tag kühl bleiben.
Béatrice gab ununterbrochen Anweisungen. Blackraven beobachtete sie lächelnd aus dem Türrahmen. Sie hatten früh am Morgen gemeinsam gefrühstückt, und er wusste, dass sie nervös und schlecht gelaunt war.
»Ach, endlich tauchst du auch einmal auf«, hatte sie sich beklagt. »Ich wollte dich in ein paar Dingen um Rat fragen und musste alles allein entscheiden. Dann beschwere dich hinterher auch nicht.«
»Du weißt, dass ich deine Entscheidungen nie kritisiere, Marie.«
»Wo ist Miss Melody?«, fragte sie streng. »Ich habe sie den ganzen Morgen noch nicht gesehen.«
»Oben, vermute ich.«
»Ich frage mich, ob wir heute Abend den wunderschönen Diamantring wieder an ihrer linken Hand sehen. In den letzten Tagen hat sie ihn nicht getragen«, sagte Béatrice beiläufig.
»Du wirst ihn sehen. Sie wird in Kürze meine Frau werden.«
»Roger, mein Lieber«, schwenkte Béatrice um, »es geziemt sich nicht, dass Miss Melody und du während der Verlobung unter einem Dach schlaft. Das schadet ihrem Ruf.«
»Das Thema hatten wir schon«, erwiderte er, und Béatrice zuckte zusammen, denn in solch barschem Ton sprach er sonst nie mit ihr.
»Was willst du den Gästen sagen? Wenn sie den Ring sehen, werden sie fragen.«
»Marie, du kümmerst dich viel zu sehr um die anderen. Lass sie doch denken, was sie wollen, sie werden sich schon ihren Reim darauf machen.«
Weil Sonntag war, gingen sie in die Messe und aßen danach zu Mittag. Angesichts des Banketts, das sie in wenigen Stunden erwartete, war es ein frugales Mahl. Die Kinder erklärten Miss Melody, Mister Blackraven habe ihnen gestattet, auch an der Soirée teilzunehmen, bis der Tanz anfing. Angelita überlegte, was sie anziehen sollte, und Víctor und Jimmy dachten sich Streiche für die heiratslustigen Mädchen aus.
Als Melody Servando sah, der mit den anderen Möbel rückte und Stühle aufstellte, ging sie auf ihn zu: »Babá.«
»Miss Melody«, erwiderte er, ohne sie anzusehen und spielte nervös mit der Mütze in seinen Händen.
»Was hast du?«
»Nichts, Miss Melody. Was wünschen Sie?«
»Nichts Besonderes. Wissen, wie es dir geht, ob es etwas Neues gibt, ob jemand etwas braucht. Ich weiß nicht, Babá, ich muss doch sonst keinen Grund haben, wenn ich mit dir sprechen will.«
»Aber jetzt, da Sie Herrn Roger gehören, sollten Sie vielleicht nicht mehr mit mir sprechen.«
Melody wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war überrascht und verärgert zugleich.
»Ich gehöre niemandem, Babá. Das weißt du.«
»Es heißt, Sie gehörten jetzt Herrn Roger.«
»Wir werden heiraten.«
Servando schaute auf. In seinem Blick lag Besorgnis.
»Dann werden Sie uns verlassen?«
»Niemals!«, versicherte sie, obwohl sie das Thema bei Blackraven nicht mehr angeschnitten hatte. »Hast du es meinem Bruder Tommy gesagt?«
»Nein.«
»Dann sag es ihm auch bitte nicht. Ich möchte es selbst tun.«
»Er wird außer sich sein. Er kann den Herrn Roger nicht ausstehen.«
»Ich weiß, deshalb bitte ich dich um Besonnenheit. Ich werde mit ihm reden.«
»Wie Sie befehlen, Miss Melody. Ihnen gilt meine Treue.«
Melody legte ihre Hand auf die des Sklaven und drückte sie voller Dankbarkeit. Sie verabschiedeten sich ohne Worte. Melody ging in den Haupthof, aber dort war es so drückend, dass sie in ihr Schlafzimmer flüchtete. Sie sehnte sich nach Roger. Doch der hatte sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, um ein paar wichtige Dinge zu erledigen, und sie traute sich nicht, ihn zu stören.
Am liebsten würde Melody an der Soirée nicht teilnehmen. Sie
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