Dem Winde versprochen
versprach er, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Desirée ließ ihm ihre Karte da.
Während ich das niederschreibe, nimmt Desirée an einem Abendessen im Herrenhaus der Eltern von Frederick Musgrove teil, der auf Fouchés Liste stand. Nach langem Warten ist es Lady Sommers,
die für ein großzügiges Sümmchen an Pfund Sterling das gesellschaftliche Leben für Aufsteiger und Neureiche arrangiert, gelungen, eine Einladung für sie zu bekommen. Es ist eine einmalige Gelegenheit, denn Conrad Phillips und Simon Miles – die anderen von der Liste – werden auch da sein, und ebenso Lord Bartleby, der Chef der Abteilung des Außenministeriums, dem die englischen Spione unterstehen.
Eines muss ich zugeben: Desirée ist die schönste Frau, die ich kenne. Schon als kleines Mädchen war sie vielversprechend, und die Zeit hat gezeigt, dass meine Vermutungen noch übertroffen wurden. Ihre Schönheit ist gewaltig und üppig, wie die Natur und das Klima ihres Geburtsortes. Wenn sie das blonde Haar offen trägt, fällt es bis auf die Hüften, in der Öffentlichkeit bindet sie es mit Samtbändern zurück; manchmal legt sie es auch mit einem Lockenstab in Korkenzieherlocken.
Für das Abendessen bei den Musgroves hat sie sich für ein indigoblaues Seidenkleid entschieden, das der Schneider Worth sich mit Gold hat aufwiegen lassen. Aber es ist jedes Pfund wert, denn sie hat selten so hinreißend ausgesehen. Dazu trägt sie ein Collier mit den passenden Ohrringen. Als ich ihr half, die schwarzen Samthandschuhe anzuziehen, begehrte ich sie, doch es ist mir gelungen, mein Verlangen zurückzudrängen. Wenn wir Glück haben, landet Desirée heute Nacht im Bett eines der Verdächtigen.
Wie üblich bin ich als Kutscher verkleidet in den hinteren Teil des Hauses gefahren, um die gemietete Kutsche abzustellen. Dort traf ich auf unsere Komplizen Rupert und Peter, die überraschende Neuigkeiten hatten. Am Nachmittag hatte Peter mitten im Hyde Park Simon Miles an der Seite eines hinkenden Mannes mit Augenklappe gesehen: Rigleau, Fouchés Informant. Leider konnte er nicht hören, was sie besprachen. Nach dem geheimen Treffen machte sich der Franzose auf den Weg nach Blackfriars, und Peter ging ihm nach. Wenige Straßenecken weiter bewies er, warum er Fouchés Vertrauensmann ist, denn als er bemerkte, dass er verfolgt wurde, verschwand
er flugs in den dunklen Gassen. Peter, ein begnadeter Fährtensucher, konnte nur noch seine Niederlage eingestehen.
So brachen wir mit neuen Perspektiven zu dem Dinner auf. Nachdem wir Simon Miles schon von der Liste der Verdächtigen streichen wollten, war er jetzt an erste Stelle gerückt. Er ist adeliger Abstammung, auch wenn das Vermögen der Familie schon bessere Zeiten gesehen haben dürfte. Er arbeitet, um seine magere Rente aufzubessern. Als Intellektueller steckt er seine freie Zeit und sein Geld in die Literatur. Die französische hat es ihm besonders angetan, und das erklärt seine Reisen nach Paris, die engen Beziehungen zu französischen Literaten und seine häufigen Besuche im literarischen Salon von Madame Récamier. Er stammt aus Cornwall, ist Junggeselle und führt ein ruhiges Leben ohne Ausschweifungen. Er hat ein Appartement im oberen Stockwerk einer Pension in der Cockspur Road gemietet, keine Verlobte, und sein Sexualleben beschränkt sich auf einen wöchentlichen Besuch in einem Bordell in St Giles-in-the-fields. Es heißt, er habe sich nie von einer tragischen Jugendliebe erholt. Die fragliche Dame hatte einen Freund von ihm geheiratet, der sie sehr unglücklich machte, und so war sie Miles’ Liebeswerben erlegen. Der Ausgang der Geschichte ist nicht bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass er nicht gerade rühmlich war, denn unser Verdächtiger zog nach London, um zu vergessen. Was ist Simon Miles für ein Mensch? Mit dem Gebaren eines zerstreuten Intellektuellen sieht er so harmlos aus.
Eintrag von Dienstag, dem 15 .August 1805
Gestern Abend ist es Desirée gelungen, die Aufmerksamkeit des leidenden Liebenden aus Cornwall – Simon Miles – zu erwecken, indem sie ihm in perfektem Französisch Passagen aus Die Schule der Frauen von Molière in Erinnerung rief. Miles sagte ihr, seine Lieblingswerke seien Die Zwangsheirat, Tartuffe und Der Sizilier, und sie zitierte sofort die bekanntesten Passagen aus diesen Werken.
Miles kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie unterhielten sich das ganze Dinner über. Später, als die Herren sich zurückzogen, um ihre Zigarren zu
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