Dem Winde versprochen
rauchen und Portwein zu trinken, verstieß Miles gegen das Protokoll, als er die Gesellschaft dieser schönen Frau vorzog, die anscheinend mehr von Molière wusste als er selbst.
Das Ergebnis des Abends bei den Musgroves beschränkte sich nicht nur auf das Gespräch mit Simon Miles. Wie zu erwarten, fragten die Damen Lord Bartleby, den Chef der englischen Spione, über die berühmten Spioninnen Rote Bibernelle und Blaue Rose aus. Eine erklärte, für sie sei die Spionage ein äußerst romantisches Metier. Lord Bartleby, vielleicht war er schon etwas angetrunken, vielleicht wollte er aber auch ein wenig vor dem weiblichen Publikum angeben, sagte, die seien nicht die wichtigsten Spione Englands. Desirées Herz schlug höher, als sie die nächsten Worte Bartlebys hörte: »Niemand kennt den Schwarzen Skorpion und seine geheimen Heldentaten. Aber ihm haben wir die Rettung und den gegenwärtigen Ruhm unseres Königreichs zu verdanken.« Ein Raunen ging durch den Saal. Es war das erste Mal, dass der Name des Schwarzen Skorpions in solch illustrer Runde fiel.
»Oh ja,«, sagte Sir Musgrove, der Gastgeber, »Sie erwähnten ihn vor einiger Zeit im Club.« Mehrere Herren nickten. Bartleby, der sich vor den Damen hervortun wollte, fuhr fort: »Napoleon wäre schon mehrmals erfolgreich bei uns einmarschiert, wenn der Schwarze Skorpion das nicht verhindert hätte«. Sofort wollten alle wissen, wer dieser ominöse Schwarze Skorpion war, und Bartleby antwortete feierlich: »Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen. Aber ich muss gestehen, die Identität des Schwarzen Skorpions und die der fünf für ihn arbeitenden Skorpione hat mein Vorgänger mit ins Grab genommen. Die richtigen Namen sind natürlich, wie in unserem Metier üblich, nirgends registriert.« Danach folgte ein ausgiebiger Bericht der berühmtesten Taten des Schwarzen Skorpions. Die Damen fächerten eifrig und seufzten hin und wieder, die Herren lauschten aufmerksam und widmeten sich ihren Drinks.
Frederick Musgrove machte einen Vorschlag: »Wäre es angesichts der Schwierigkeiten, die wir mit Frankreich haben, und der Bedrohungen, die von dort ausgehen, nicht sinnvoll, den Schwarzen Skorpion aufzuspüren und ihn zu überreden, sich wieder unseren Reihen anzuschließen? Seine Erfahrung könnte von unschätzbarem Wert sein.«
»Wir arbeiten daran«, lautete die geheimnisvolle Antwort Lord Bartlebys.
Wie viel würde das Außenministerium wohl demjenigen zahlen, der ihm die Identität des Schwarzen Skorpions verriete?
Es läutet an der Tür. Ich gehe hin und öffne. Ein Bote. Ich nehme den Umschlag und drücke ihm ein paar Schillinge in die Hand. Er ist für Desirée. Ich mache ihn schnell auf. »Bezaubernde Dame, wären Sie wohl so freundlich und würden mir heute Abend beim Dinner Gesellschaft leisten, um sieben Uhr in meiner Residenz in der Cockspur Road? Ich würde Ihnen liebend gern meine Bibliothek zeigen. Ich verspreche, Sie können sich ein Buch aussuchen. Ihr ergebener Simon Miles.«
Kapitel 19
Am nächsten Morgen, dem Tag der Soirée, wachte Melody in Blackravens Bett auf. Sie stellte fest, dass der Solitär an ihre Hand zurückgekehrt war. Als sie an das dachte, was sie in diesem Zimmer erlebt hatte, durchfuhr ein warmer Schauder ihren Körper. Keine Spur von Schuld oder Bedauern trübte ihr Glück, nicht einmal, als sie sich vorstellte, wie ihre Mutter sich darüber aufgeregt hätte, wenn sie erfahren hätte, dass ihre Tochter sich einem Mann hingegeben hatte, mit dem sie noch nicht verheiratet war.
Trinaghanta kam ins Zimmer gehuscht und schlich auf Zehenspitzen zum Frisiertisch. Melody suchte ihr Nachthemd zwischen den Laken und zog es schnell an. Als sie an ihr vorbeiging, sagte die Dienerin wie beiläufig: »Guten Morgen, Miss Melody. Würden Sie gerne ein Bad nehmen?«
»Nichts würde ich lieber tun.«
Während Trinaghanta das Bad vorbereitete, erkundigte sich Melody nach den Kindern.
»Sie sind bei Monsieur Désoite und zeichnen den Glockenturm.«
»Gott segne Monsieur Désoite!«, rief sie aus, denn er hatte ihr in diesen turbulenten Tagen ein wenig Arbeit abgenommen. »Und seine Exzellenz?«
»Er hat zu tun, in seinem Arbeitszimmer.«
Blackraven war die ersten Stunden so aufgewühlt gewesen, dass er sich nur schwer auf Travers verschlüsselte Botschaften konzentrieren konnte. Es trieb ihn zurück zu Melody, doch er wollte standhaft bleiben.
Aber sein Entschluss währte nicht lange. Als Trinaghanta den Kopf hereinstreckte
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