Dem Winde versprochen
jetzt, da Spanien in einer der größten wirtschaftlichen Krisen seit Jahrhunderten steckt und nicht einen Real schicken wird, um die kolonialen Heere zu unterstützen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sobremonte wegen des Mangels an Waffen und disziplinierten Soldaten höchst besorgt ist.«
»Es bedarf keiner großen Schlacht, um sich den Vizekönig vom Hals zu schaffen«, schaltete sich Belgrano ein. »Dazu genügt
eine kleine Miliz. Auf alle Fälle müssen wir schon in den Anfängen dieser Revolution einen starken militärischen Arm mit vielen Soldaten schaffen, denn der König könnte mit Waffengewalt zurückschlagen. Vielleicht rüttelt eine Revolution ihn wach und er beschließt, all seine militärischen Kräfte aufzubieten.«
»Gut möglich«, erwiderte Blackraven, »doch ich bezweifle, dass es so kommen wird. Die inneren Konflikte am spanischen Hofe werden ihn in Atem halten, da wird er sich kaum mit einem Aufstand in den Kolonien beschäftigen. Natürlich wird es eine Reaktion geben, aber die wird sich im Rahmen halten. Wenn wir es klug anstellen, können wir sie bereits im Keim ersticken. Ich sage es noch einmal, meine Herren: das ist der beste Moment. Die Bedingungen sind ideal. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch sobald wie möglich eine Marine schaffen müssen.«
Dann sprachen sie darüber, wie die Regierung aussehen sollte, wenn der Vizekönig erst vertrieben war. Belgrano sprach sich für eine parlamentarische Monarchie nach englischem Vorbild aus. Obwohl Blackraven das auch für die beste Regierungsform hielt, fragte er sich doch, wer unter all den ungehobelten Kreolen den König abgeben und wer die Reihen des Parlaments füllen sollte.
»Was wisst ihr von den anderen Intendanturen des Vizekönigreichs?«, fragte er. Allgemeine Ratlosigkeit machte sich breit. Belgrano und Castelli stammelten etwas daher, doch ihre Bemerkungen zeigten nur, dass sie nichts aus dem Landesinneren wussten, weil es ihnen gleichgültig war. Castelli meinte kühn: »Sie werden sich uns anschließen, sobald sie von dem Putsch in Buenos Aires erfahren«. Die anderen waren derselben Ansicht.
»Das wage ich zu bezweifeln«, meinte Blackraven.
»Sie bezweifeln das?«, fragte Vieytes erstaunt.
»Nach den Informationen, die ich habe, wird die gesamte Produktion aus dem Landesinneren nach Buenos Aires verkauft. Die Verwaltungen hängen also voll und ganz von Buenos Aires ab. Auch wenn sie mit dem Schmuggel konkurrieren müssen, sichert
ihnen das genügend Einkünfte, um überleben zu können. Sie werden genauso reagieren wie die Schmuggler: Sie werden sich gegen die Unabhängigkeit stellen, denn sie brauchen das Monopol, um Buenos Aires weiterhin beliefern zu können.«
»Sie können Buenos Aires doch auch so beliefern«, warf Castelli ein.
»Nein, denn sie wissen, dass ihre Waren von schlechterer Qualität sind als die aus Europa und Asien. Und sie wissen auch um die Vorliebe der Porteños für Waren aus Übersee. Der freie Handel wäre ihr Todesurteil.«
»Was sollen wir machen?«, fragte Nicolás, der jetzt noch mutloser aussah.
»Ein Heer aufstellen, das stark genug ist, nicht nur Buenos Aires und Montevideo zu kontrollieren, sondern auch die Hauptstädte im Landesinneren.«
Bevor sie auseinandergingen, verabredeten sie ein weiteres Treffen, das in Kürze stattfinden sollte. Blackraven würde sich seine militärische Erfahrung zunutze machen und einen Bericht verfassen, wie Miliz und Marine aussehen sollten. Nicolás Rodríguez Peña, seit 1795 Mitglied der Kavallerie, würde sich ebenfalls Gedanken machen. Und dann würde man sich zusammensetzen und die nötigen Entscheidungen treffen.
Blackravens letzte Verabredung an diesem Nachmittag dauerte länger als eine Stunde. Martín de Álzaga empfing ihn in seinem Haus in der Calle de la Santísima Trinidad im Viertel Montserrat, unweit seines gut ausgestatteten Lebensmittelgeschäfts mit mehreren Angestellten. Blackraven wusste, dass Álzaga sich nicht für die landwirtschaftliche Produktion von El Retiro interessierte. Im Grunde hatte er es auf Blackravens Schiffe abgesehen, die Waren aus den reichsten europäischen, asiatischen und afrikanischen Häfen beischaffen konnten. Er hegte sogar den Verdacht, dass der Baske sein Auge auf die strategisch günstige
Lage von El Retiro geworfen hatte, das an den Ufern des Río de la Plata gelegen war und sich damit der Überwachung durch den Zoll entzog. Ob er wusste, dass das Anwesen über unterirdische Geheimgänge
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