Dem Winde versprochen
konnte.
»Ich habe schon nach einem Arzt geschickt«, informierte er sie.
Melody drückte Polinas Unterleib in eine einfach gezimmerte Aderpresse, und Blackraven sah, dass ihre Hände zitterten.
»Siloé, hilf Señorita Isaura, sie hat keine Kraft mehr.«
Er sah Polina an, die sich auf die Lippen biss, um nicht vor Schmerz zu schreien, beschämt wegen seiner Anwesenheit.
»Es wird dir bald besser gehen, Mädchen. Ein Arzt ist auf dem Weg«, versuchte er ihr Mut zu machen und verließ dann das Zimmer.
Es wurde schon dunkel. Blackraven stand an seinem Fenster und starrte gedankenverloren hinaus in den Park. Eine Stunde später verkündigte Somar, zwei Reiter bewegten sich auf das Anwesen zu. Blackraven persönlich öffnete ihnen die Tür. Im Flur bemerkte Redhead sein blutiges Hemd und war beunruhigt.
»Um Himmels willen, Roger!«
»Es geht nicht um mich«, winkte er ab.
»Worum zum Teufel geht es dann?«
»Schau es dir am besten selbst an, Samuel.«
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln eilten sie zu der Kranken. Unterwegs trafen sie auf Sklavinnen, die die Wandleuchter entzündeten. Blackraven und Redhead betraten Siloés Zimmer. Der Blick des Arztes wanderte durch den kleinen Raum und hielt dann bei Melody inne, die die Hand der inzwischen ohnmächtigen Polina hielt.
Sofort war ihm alles klar. Er wusch sich die Hände, setzte die Brille mit den runden Gläsern auf und gab Anweisungen. Siloé sollte Wasser aufkochen und saubere Laken und Handtücher bringen. Trinaghanta reichte er Kräuter für einen Verband gegen die Blutungen, und aus einer exotischen Wurzel sollte sie einen Tee zubereiten. Trinaghanta erfüllte die Anordnungen stillschweigend und souverän. Redhead konnte gut verstehen, dass sie in Blackravens Diensten stand.
»Das wird ihr die Kraft zurückgeben zu pressen«, erklärte er.
Die Anwesenheit des rothaarigen Arztes machte Melody zuversichtlicher.
Dank des Riechsalzes, das Redhead ihr unter die Nase hielt, öffnete Polina die Augen; sie trank den Tee und ein wenig Kraft kehrte in ihren Körper zurück. Sie konnte sogar ein paar Löffel Wasser mit Honig zu sich nehmen.
»Nur Mut, Mädchen«, sagte der Arzt.
»Wenn du fertig bist, erwarte ich dich im Salon zum Abendessen, Samuel«, sagte Blackraven, der froh war, den Raum endlich verlassen zu können.
Samuel, dachte Melody, das musste dieser Samuel Redhead sein, von dem Papá Justicia ihr erzählt hatte, der mit dem Feuerkopf. Ihr war dieser Mann sympathisch, der bei der Katastrophe von Álzagas Sklavenschiff
El Joaquín
gekommen war, um es im Namen der Ärztekammer in Augenschein zu nehmen. Er hatte es gewagt, seine Stimme für die Sklaven zu erheben und ihre brutale Behandlung anzuprangern. An dem Tag hatte er sich mit Sicherheit einen einflussreichen Mann zum Feind gemacht.
Es war eine lange und qualvolle Geburt. Die Wäscherin krallte ihre Hände in Melody. Überall war Blut. Niemand hatte mehr Hoffnung, weder für das Kind noch für die Mutter, doch die Entschlossenheit in Redheads Gesicht beruhigte Melody.
Und dann brachte Polina mit einem durchdringenden Schrei einen Jungen zur Welt. Sein Wimmern hörte sich an wie das Miauen einer kleinen Katze. Mutter und Kind waren völlig erschöpft. Redhead reichte der Mutter das Baby, sie küsste es auf die Stirn, und dann verlor sie das Bewusstsein.
Melody und Trinaghanta wuschen den Kleinen und hüllten ihn in Tücher und Decken. Er sah kränklich aus. Melody drückte ihn an ihre Brust und küsste ihn auf die Stirn.
»Ich fürchte, Señorita, weder der Kleine noch die Mutter werden die Nacht überleben«, sagte Redhead.
Melodys Augen füllten sich mit Tränen.
»Danke, Doktor.«
Der Arzt verließ das Zimmer. Im Nachbarzimmer traf er auf Béatrice, die ihm Handtücher und Seife reichte.
»Wenn Sie fertig sind, werde ich Sie in das Speisezimmer begleiten. Seine Exzellenz wartet mit dem Essen auf Sie.«
»Danke«, erwiderte Redhead.
Melody dachte: ›Ich sollte den Kleinen taufen, bevor es zu spät ist‹. Sie legte ihn neben seine schlafende Mutter.
»Du sollst Rogelio heißen, nach Roger, dem du vielleicht, so Gott will, dein Leben verdankst.«
Dann kniete sie neben der Pritsche nieder, machte das Kreuzzeichen und tauchte die Hand in das Waschbecken. Sie versprengte ein paar Tropfen auf der Stirn des Babys und sprach: »Rogelio, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gott und die Jungfrau mögen dich segnen, dich und deine Mutter.«
Miora und
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