Dem Winde versprochen
ihn ansetze. Ist dieser verfluchte englische Spion denn so allmächtig?«, fragte er zornig. »Ich will den Schwarzen Skorpion noch vor Beginn des Sommers hier haben. Hätte der sich um die Sache mit Louis XVII . gekümmert, hätte ich ihn schon längst in den Händen und könnte ihn seinem Cousin Franz als Zeichen meines guten Willens gegenüber ihm und seinem Volk übergeben.«
»Verstehe, Majestät«, stammelte Fouché. Er verneigte sich und begleitete den Kaiser hinaus.
Kurz darauf erschien Rigleau und fand seinen Chef am Schreibtisch sitzend, den Kopf in die Hände gestützt.
»Finde die Kobra.«
»Aber, Monsieur … «
»Es ist mir egal, ob du in Paris oder London jeden Stein umdrehen musst, um diesen verdammten Kerl zu finden! Ich will, dass du ihn findest und ihm befiehlst, den Schwarzen Skorpion lebend zu bringen.«
Notizen eines Mörders
Eintrag von Mittwoch, dem 25 .September 1805
Da wir schon in London sind, fangen wir hier mit der Suche nach Roger Blackraven an. Sollte sich die Fährte als falsch herausstellen, werden wir nach Italien reisen und mit der nach Isabella und Alejandro di Bravante weitermachen. Einer von ihnen muss der Schwarze Skorpion sein.
Als Desirée Lady Sommers befragte, erklärte sie, ihr Einfluss reiche nicht bis in die hohen Kreise, in denen die Guermeaux verkehrten, und so könne sie auch keinen Kontakt herstellen, aber sie könne ihr die Geschichte der Familie erzählen.
»Die Guermeaux sollen«, so erklärte sie, »im Jahre 1066 gemeinsam mit Wilhelm, Herzog der Normandie, besser bekannt als Wilhelm der Eroberer, nach Großbritannien gekommen sein. Bruno de Guermeaux tat sich in der Schlacht von Hastings hervor und erhielt als Gegenleistung für seine loyalen Dienste den Titel eines Herzogs und große Ländereien in der Grafschaft Cornwall, wo sich die Familie seitdem eingerichtet hat. Hier«, sagte sie und deutete auf einen Punkt des Stammbaums, »kam der Name Blackraven, also Schwarzer Rabe, auf, weil einige von ihnen statt der blonden jetzt pechschwarze Haare hatten. Das Blut der Guermeaux hatte sich Ende des 15 . Jahrhunderts mit dem der Tochter des ersten Herzogs von Alba aus dem höchsten spanischen Adel vermischt. Und nun zu dem, der uns eigentlich interessiert.
Der jetzige Herzog, Alexander Blackraven, ist einer der mächtigsten und angesehensten Adeligen von Großbritannien und Inhaber mehrerer Sitze im Parlament. Seine Entscheidungen werden respektiert und stets voller Spannung erwartet, denn er könnte die Fundamente der schwachen Monarchie von Georg III . ins Wanken bringen. Vor fünfunddreißig Jahren heiratete er die damals begehrteste Partie, Lady Patricia Kent. Dazu hätte es des Reichtums ihres Vaters nicht einmal bedurft, denn sie war eine Schönheit.
Mit den Jahren wurde das Glück des jungen Paares jedoch mehr und mehr getrübt, da Patricia nicht schwanger wurde. Alexander fürchtete schon, der erste Herzog von Guermeaux zu werden, ohne einen Erben für die Dynastie zu haben. Im Jahre 1783 ging der junge Graf auf eine mehrwöchige Reise und brachte einen zwölfjährigen Jungen mit, den er als sein Kind anerkannte und zum Erben seines Titels und seines Vermögens machte. Es heißt, Lady Patricia habe wochenlang kein Wort mit ihm gesprochen und sei zu ihren Eltern gezogen. Alexander, der sie liebte, aber auch einen Skandal vermeiden wollte, suchte sie auf, und nachdem sie sich auf ein paar Bedingungen geeinigt hatten, kehrte sie mit ihm zurück.
In diesen Bedingungen wurde zum Beispiel festgehalten, dass die Herzogin, die sich durch den Bastard düpiert fühlte, ihm nie begegnen musste; und sie hatte gefordert, für den Fall, dass sie ein eigenes Kind zur Welt brächte, sollten Titel und Vermögen an dieses eheliche Kind vererbt werden und der Bastard leer ausgehen.
Dieses eheliche Kind wurde nie geboren, und so würde der Bastard Roger Blackraven – Roger nach seinem Großvater väterlicherseits, wie es der Tradition der Guermeaux entsprach – nach dem Tod von Alexander Blackraven den Herzogtitel erben. Soweit Lady Sommers wusste, war Roger Blackraven schon immer ein sehr wildes Kind gewesen. »Er hält sich von London fern«, erläuterte sie, »und man sagt, er führe ein Piratenleben und verachte den Titel, den er einmal erben wird.«
Im Stammbaum steht neben dem Grafen von Stoneville ein Feld
mit der Eintragung: » 8 Victoria Trewartha ( 1773 – 1801 )«. Genau wie Simon Miles gesagt hatte. Nach den Gründen für einen derart frühen
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