Dem Winde versprochen
gab sich kühl und schweigsam, während Alexander ihr Entschuldigungen auftischte, die zwölf Jahre zu spät kamen. Als er ihr vorschlug, seinen Sohn mit nach England zu nehmen, verlor sie die Beherrschung: »Du wirst ihn niemals bekommen! Nicht einmal in der Stunde meines Todes werde ich dir meinen Sohn überlassen. Du hast diese Reise umsonst gemacht.
« Dann fasste sie den Reif ihres Rockes und rauschte davon. Später hörte sie, der Herzog habe den Palast verlassen.
Mit der Zeit beruhigte sich Isabella und kehrte zu ihren alten Gewohnheiten zurück. Sie spazierte wieder mit Michela und Alejandro durch die Gärten, setzte sich zwischen die Maiglöckchen – ihre Lieblingsblumen – und las ihnen vor oder unterhielt sich mit ihnen. Alejandro, der von Natur aus sehr wachsam war und alles beobachtete, sah die Kutsche als Erster. Sie fuhr den Weg entlang direkt auf sie zu. Die Tür ging auf, und zwei Männer mit Dreispitzen traten heraus. Lächelnd kamen sie näher, und auf einige Entfernung stellte einer eine Frage, die sie nicht verstanden. Als Isabella klar wurde, dass es sich um eine Falle handelte, war es bereits zu spät. Die Männer brachten Alejandro in ihre Gewalt. Michela schrie um Hilfe, und Isabella klammerte sich an den Arm ihres Sohnes und versuchte ihn den Entführern zu entreißen, doch vergebens. Alejandro hielt sich an ihrer Kette mit dem Opalring fest, doch diese riss, und die Männer zogen den Jungen in die Kutsche. Als Isabella später bemerkte, dass der Ring ihres Großvaters di Bravante verschwunden war, hoffte sie inständig, dass ihr Sohn ihn hatte.
Alejandro tobte und wehrte sich, als man ihn in die Kutsche schob, doch ihm wurde klar, dass er keine Chance hatte, als diese sich mit rasender Geschwindigkeit vom Palast entfernte. Er trampelte und schrie, bis ihm jemand eine Ohrfeige gab, ihn bei den Schultern packte und schrie: »Ich bin dein Vater!« Dann hatte er ihm gesagt, dass er künftig den Namen seines Großvaters, Roger Blackraven, tragen und als der englische Adelige erzogen werde, der er war. »Ab sofort bist du Graf von Stoneville, und nach meinem Tod wirst du der neue Herzog von Guermeaux.«
Man sperrte ihn in ein Schloss auf einem Felsen am Ende der Welt, wie es ihm schien. Nach einem Streit mit seinem älteren Bruder war Bruce nach Cornwall gereist, um seinen Neffen kennenzulernen, und der Lehrer, Mr.Simmons, hatte ihm gesagt, der Junge habe schon seit Tagen keinen Bissen angerührt. Roger sei blass und liege
im Bett, da helfe alle Androhung von Strafe nichts; er wolle offensichtlich sterben, und an Willen und Halsstarrigkeit mangele es ihm nicht. Sir Bruce hatte sein Zimmer betreten, sich ihm auf Französisch vorgestellt und sich an den Rand seines Bettes gesetzt. »Ich weiß, was du dir am meisten wünschst.« Der Junge hatte ihn nicht einmal angesehen. »Deine Mutter wiederzusehen.« Seine blauen Augen funkelten, doch er sagte kein Wort. »Ich werde dich zu ihr bringen, wenn du mir versprichst zu essen.« »Wann?«, hatte er gefragt. Das Eis war gebrochen. »Wenn dein Vater im August nach Österreich reist, nehme ich dich mit. Aber das muss unser beider Geheimnis bleiben«. Und sie waren tatsächlich nach Versailles gereist: Bruce, Roger und Constance, die damals schon Bruce’ Geliebte war. Sogar dem Onkel stiegen die Tränen in die Augen, als er das Wiedersehen zwischen Isabella und Roger sah, der seiner Mutter in die Arme lief und zu weinen anfing. Mit erstickter Stimme hatte Isabella nur »Mein Alejandro!« gesagt und ihn an ihre Brust gedrückt, als fürchte sie, dass man ihn ihr gleich wieder entreißen würde. Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, sahen sie sich an, und Isabella stellte fest, dass ihr Sohn bereits ein Mann war. »Schau, Mutter«, sagte er und zeigte ihr den Ring mit dem Kleeblatt. »Ich habe ihn die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal abgelegt.« Isabella fragte: »Hast du sein Geheimnis entdeckt?« Er öffnete den Opaldeckel und seine Mutter lächelte stolz. »Dieser Skorpionring gehört seit Jahrhunderten den Bravantes. Es ist kein Zufall, dass du, mein geliebter Sohn, und ich unter diesem Zeichen geboren sind. Wir sind das stärkste Zeichen des Tierkreises, und nur Gott kann uns beugen, sonst niemand. Vergiss das nie.«
Im Palast, in dem er geboren wurde, traf Roger die Menschen, die für ihn seine Familie waren – der Hof von König Louis XVI . Als der Abschied nahte, dachte Isabella, es würde ihr das Herz brechen. Doch schließlich
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