Dem Winde versprochen
begriff sie, dass das Schicksal des Herzogs von Guermeaux das beste war, das ihrem geliebten Sohn passieren konnte.
Im Alter von sechzehn Jahren ging Roger nach Straßburg, wo er dank des Einflusses seines Vaters in die exklusive Militärschule eintrat.
Es gefiel ihm, das Kriegshandwerk zu erlernen und Mann gegen Mann zu kämpfen. Durch seinen Einsatz wurde er lange vor den anderen seines Jahrgangs zum Leutnant befördert, und obwohl Lehrer und Ausbilder ihm eine glänzende Zukunft als Offizier voraussagten, floh er eines Tages von dort.
»Sein Vater hat ihn überall gesucht«, erklärte Constance, »und zeigte in seiner Trauer und Verzweiflung, wie sehr er an seinem Sohn hing. Roger kehrte zehn Jahre später nach England zurück. Inzwischen war aus ihm der stärkste und stattlichste Mann geworden, den ich kenne, und reich war er auch. Er hält sich für unbesiegbar.«
Sein Nomadenleben hat Roger Blackraven nie aufgegeben. Da er das Korsarenpatent besitzt, durchpflügt er die Meere auf der Suche nach Schiffen feindlicher Nationen. Er besitzt eine Plantage in Ceylon, wo Tee, Zimt, Gewürznelken und Tabak angebaut werden. Seine Plantage in Antigua ist nicht weniger ertragreich. Dort werden hauptsächlich Zuckerrohr und Kaffee angebaut. Die Sorte »La Isabella« gilt als eine der besten auf dem Markt. Constance versicherte, er besitze auch ein Anwesen in einer Stadt in Südamerika, deren Ausdehnung die der anderen um ein vielfaches übersteigt.
»Sein Onkel Bruce«, berichtete Constance, »hat mir vor einiger Zeit gestanden, er habe seine Mutter und seine Amme Michela als Landmädchen verkleidet aus dem revolutionären Frankreich gerettet. Und er habe viele vor der Guillotine gerettet, nicht nur Adelige des Ancien Regime, sondern auch Leute, die man als Konterrevolutionäre anklagte. Manchmal fragen wir uns, ob Roger nicht ein Spion ist.«
In der Tat. Er ist der Schwarze Skorpion.
Kapitel 30
An diesem sonnigen, klaren Palmsonntag organisierte Melody einen Landausflug nach El Retiro. Sie luden Pater Mauro ein, die Töchter von Valdez e Inclán, Señorita Leonilda und sogar Don Diogo. Sie stellten den Tisch unter den Lindenbaum in der Nähe von Béatrices Garten. Nach dem Mittagessen schlug Pater Mauro einen Spaziergang am Flussufer vor. Blackraven und Somar blieben ein wenig zurück, um sich zu unterhalten.
»Papá Justicia hat mir gestern Abend gesagt, morgen bei Sonnenuntergang gehe es los«, sagte Somar.
Blackraven schaute zu Melody hinüber. Sie ging am Arm von Señorita Leonilda und machte einen glücklichen Eindruck, plauderte und lachte.
»Ich glaube, jemand hat sie verraten«, sagte er.
»Was meinst du? Wen hat man verraten?«
»Maguire und seine Bande von Schwachköpfen«, erwiderte Blackraven. »Schon vor Tagen habe ich Zorilla gebeten, die Lager von Sarratea und Basavilbaso zu überwachen. Er sollte sie auch zu Hause aufsuchen und herausfinden, ob sie Wind davon bekommen haben, nur so als Vorsichtsmaßnahme. Gestern Abend sagte er mir, er habe den Gesprächen mit den Sklavenhändlern zwar nichts Eindeutiges entnehmen können, aber er habe viele bewaffnete Männer in beiden Lagern gesehen. Sogar die Leute vom Land bewachen jetzt die Gebäude. Das ist kein Zufall.«
»Das denke ich auch. Was hast du vor?«
Blackraven seufzte und schüttelte resigniert den Kopf.
»Das Einzige, was mir übrig bleibt. Morgen Abend werde ich meinem Schwager, diesem Taugenichts, den Rücken decken.«
Anfangs hatte Elisea sich geweigert, nach El Retiro zurückzukehren. Weder ihre Schwestern noch ihre Tante konnten das verstehen. Sie sagte nur: »Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr hin.« Wenn sie die Augen schloss, sah sie immer Sabas widerwärtiges Gesicht. Sie konnte sogar seine Hände und seine Lippen auf ihrem Körper spüren. Sie saß im Salon und hörte dem fröhlichen Treiben des Aufbruchs zu.
Dann jedoch löste sich plötzlich ein Bild aus ihren Erinnerungen. Sie sah den Glockenturm, und die Kälte in ihrer Brust wich einem Gefühl von Wärme. Auch wenn sie traurig war, sehnte sie sich danach, an den Ort zurückzukehren, an dem ihr Herz glücklich gewesen war, wo alle Probleme nichtig waren und nur die Leidenschaft zählte, die sie und Servando miteinander erlebten. Da sagte sie: »Gut, ich komme mit.«
Servando gehörte zu den Sklaven, die sie während des Ausflugs bedienten. Er fuhr den Wagen mit den Lebensmitteln und Getränken und half dabei, den Tisch unter den Baum zu tragen. Dann verschwand er.
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