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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Möglichkeit zu geben, dem Kaiser von Frankreich zu dienen.«
    »Da gibt es ein kleines Problem. Es ist nicht leicht, die Kobra zu finden. Vielleicht hat sie den Schwarzen Skorpion gerade getötet.«
    »In dem Fall hätte ich dreißigtausend Pfund und einen möglichen Verbündeten verloren. Wenden wir uns einer anderen Frage zu: Was weißt du von den Kindern von Ludwig XVI .? Man sagte mir, der Comte de Provence wisse, dass sein Neffe Ludwig XVII . lebend aus dem Temple entkommen ist und einen Mörder angeheuert habe, um ihn zu töten.«
    »So ist es, Majestät. Ich habe schon Maßnahmen getroffen. Einer meiner besten Spione, Le Libertin, sagt, er habe die echte Madame Royale ausfindig gemacht, und sie werde ihn, so hofft er, zu ihrem Bruder führen.«
    »Ich will in dem Fall keine Patzer, Fouché.«
    »Herein«, sagte er, als es an der Tür klopfte. »Ah, Monsieur Talleyrand, Sie sind es. Treten Sie ein. Sie können sich zurückziehen, Fouché.«
    »Danke, Majestät. Mit Eurer Erlaubnis.«
    Er verneigte sich ein paar Mal und eilte dann in sein Büro. Wenn er den Namen des Schwarzen Skorpions bekäme, würde er der Kobra eine Nachricht schicken. Aber er würde nicht erwähnen, dass er ihn lebend bringen solle.
    Notizen eines Mörders
    Eintrag von Mittwoch, dem 22 .Mai 1805
    Wir sind an all die Orte gereist, zu denen uns die Spur des Schwarzen Skorpions geführt hat, aber in Paris kennt man ihn am besten, vor allem unter den heruntergekommenen Gestalten der Vergnügungsviertel. Es heißt, er spreche akzentfrei mehrere Sprachen, er sei ein Meister der Verkleidung, er sei geschickt im Umgang mit Waffen, egal ob Stoß- oder Feuerwaffe. Er sei ein großer Verschwörer, ein kluger Kommandant, seine Spione verehren ihn. In bestimmten Kreisen gilt er sogar fast schon als mythologischer Held. Und je mehr wir über seine Taten erfahren, desto mehr steigt er auch in meiner Achtung. Ich kann die Leidenschaft bei seinen Missionen spüren, es ist dieselbe, die auch mich antreibt.
    Wir haben den Kanal überquert und befinden uns in London. Bevor wir uns in Calais eingeschifft haben, sind wir noch einmal in der Taverne »Paille et Foin« gewesen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Schwarze Skorpion mehrfach dort abgestiegen ist, wie es die Schriftproben nahelegen, dann hat er sich entweder verkleidet, oder der Besitzer, Monsieur Randieu, deckt ihn. Deshalb wollten wir ihm noch einmal auf den Zahn fühlen.
    Wir nahmen uns also Zimmer. Desirée gelang es, zu Monsieur Randieu ins Bett zu schlüpfen. Befriedigt und betrunken war Monsieur Randieu leichte Beute. Arglos offenbarte er seine Treue zu den Idealen der Revolution und seine Bewunderung für Kaiser Napoleon. Voller Stolz erzählte er, seine Herberge sei ein Nest von Spionen,
englischer wie französischer, und seit Jahren kollaboriere er mit Untergebenen von Monsieur Fouché. Dank seiner Intervention seien viele Verräter zu Fall gekommen. Desirée flößte ihm immer weiter Gin ein, sodass er in einen Alkoholnebel eintauchte, der sich bei Tagesanbruch zusammen mit den Geständnissen auflöste.
    Hinsichtlich des Schwarzen Skorpions hatte der Tavernenwirt seine eigene Theorie: Es handele sich um einen Engländer namens Simon Miles, den wir vor einiger Zeit von der Liste gestrichen hatten. »Du glaubst also, Simon Miles sei der … wie hieß der Spion noch?« »Der Schwarze Skorpion«, wiederholte der Wirt betont feierlich und sagte: »Simon Miles gibt sich als Student der französischen Literatur aus und geht überall ein und aus. Er ist mit halb Paris befreundet, besucht den Salon dieser Verräterin, der Récamier, und schleppt truhenweise Bücher an, auf die niemand achtet. Ich bin sicher, er benutzt sie, um chiffrierte Nachrichten zu verfassen. Aber niemand glaubt mir.« Und dann versank er in der lächerlichen Melancholie der Betrunkenen.
    Simon Miles. Ob er sich in London aufhält? Ob es leicht ist, an ihn heranzukommen? Wenn er wirklich der Schwarze Skorpion ist, wohl kaum. Ein Mann wie er ist vierundzwanzig Stunden auf der Hut. Ich sehe ihn förmlich vor mir, wie er ein Messer unter das Kissen legt und überall an strategischen Orten Pistolen platziert, angefangen beim Nachttisch. Er hat bestimmt einen leichten Schlaf und schreckt bei jedem unbekannten Geräusch hoch. Ach, was würde ich darum geben, mit einem so außergewöhnlichen Menschen sprechen zu können! Wer könnte uns besiegen, wenn wir uns vereinten?
    London. Ich liebe London. Eine grausame und großartige Stadt.

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