Dem Winde versprochen
glaubst.«
»Los, zieh dich an«, befahl er und reichte ihr ihr Kleid. »Ich will, dass du verschwindest. Und gib mir den Schlüssel!«
Bela holte ihn aus ihrer Gürteltasche und warf ihn ihm ins Gesicht. Es war kein großes Opfer, hatte sie doch schon vor langer Zeit eine Kopie anfertigen lassen.
Kapitel 15
Auf dem Rückweg nach El Retiro begleitete sie ein Freund Blackravens, der ihn Melody als Pierre Désoite vorstellte. Sein fröhliches Wesen und seine kultivierte Konversation gefielen Melody. Er interessierte sich für fremde Länder und fragte Blackraven ohne Unterlass über den Fernen Osten aus. Melody war sprachlos, als sie hörte, wie Blackraven den Hafen von Makassar, das Königreich Siam, die Sonda-Inseln, Mekong und den Menam beschrieb, als sei er dort aufgewachsen.
»Aber wie hat es Eure Exzellenz in so ferne Regionen verschlagen?«, wollte sie wissen.
»Ich bin an erster Stelle Seefahrer, Señorita Isaura«, erwiderte Blackraven. »Ich bin schon sehr jung zur See gefahren. Der Seefahrt verdanke ich alles, was ich besitze.«
Es war ein herrlicher Sommertag mit einem strahlend blauen Himmel, der die raue Schönheit der Landschaft noch stärker betonte. Von einer Anhöhe aus bewunderte Pierre Désoite die Architektur von El Retiro. Insbesondere begeisterte ihn die Harmonie des Gartens.
»Um den Garten kümmert sich Señorita Béatrice, die Cousine seiner Exzellenz«, erklärte Melody. »Niemand hat solch ein geschicktes Händchen wie sie, um selbst die hartnäckigste Pflanze zum Blühen zu bringen. Sie scheinen sich ihren begnadeten Händen geradezu zu unterwerfen.«
»Meine Mutter«, sagte Désoite, »hatte dieselbe Gabe. Im Frühling blühte ihr Garten so üppig, dass sie immer sagte, es sei schon fast vulgär.«
Melody freute sich, als sie Jimmy zusammen mit Víctor und Angelita im Hof Murmeln spielen sah. Leonilda, Elisea und Béatrice standen um ein Gitter mit Bougainvillea herum, an dem der Sturm ein paar Pfähle gelockert hatte. Bei ihnen stand ein Mann, der zu ihnen herüberschaute, als er das Hufgetrappel hörte. Es war William Traver.
Somar klappte das Treppchen herunter und half Melody beim Aussteigen, die sofort zu den Kindern lief. Blackraven stellte Désoite vor.
Dieser verbeugte sich vor Béatrices ausgestreckter Hand und hauchte einen Kuss darauf.
»Angenehm, Sie kennenzulernen, Mademoiselle«, sagte er.
Béatrice brachte zunächst kein Wort heraus, was William Traver ein Räuspern entlockte. Dann fasste sie sich wieder und sagte: »Roger, das ist Mister William Traver. Mister Traver, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen meinen Cousin vorstelle, Roger Blackraven, den Graf von Stoneville.«
Die beiden Männer gaben sich die Hand und verneigten sich dabei leicht.
»Exzellenz, es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Vielen Dank für Ihre Einladung. Es ist ein wunderbarer Tag an einem wunderbaren Ort.«
»Die Harfe ist gerade eingetroffen«, verkündete Béatrice und hakte sich bei Blackraven unter, während sie ins Haus gingen. »Wir wussten nicht, ob ihr zum Mittagessen kommt, und hätten fast schon ohne euch angefangen.«
»Wir wurden durch eine dringliche Angelegenheit in der Stadt aufgehalten.«
»Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes«, sagte Béatrice besorgt.
»Nein, nein, meine Liebe«, versicherte Blackraven.
Sie wechselten einen vielsagenden Blick, dann flüsterte Béatrice ihm zu: »Ich muss mit dir sprechen.«
»Später.«
Während des Essens schwieg Béatrice, dafür war Traver umso redseliger. Melody sah, dass Béatrices Blicke die ganze Zeit zu Pierre Désoite wanderten, der sich offensichtlich wohlfühlte, mit Appetit aß und genauso viel redete wie Traver. Blackraven hingegen war still und beobachtete das Schauspiel aufmerksam. Hin und wieder warf er ihr einen Blick zu, der sie erröten ließ.
Beim Kaffee spielte Melody Harfe im Salon, und Béatrice nahm die Bewunderung wahr, mit der ihr Cousin die Hauslehrerin ansah.
»Miss Melody, bitte«, flüsterte der kleine Víctor ihr ins Ohr, »singen Sie mein Lieblingslied.«
Es handelte sich um ein gälisches Lied, das ihr Vater ihr als Kind beigebracht hatte. Es ging darin um die Abenteuer eines Koboldes und einer Fee. Alle waren verzaubert von der tiefen Stimme. Blackraven hörte, wie Traver Béatrice fragte: »Welche Sprache ist das, in der Miss Melody singt?«
Wie konnte es sein, dass der Schotte William Traver das Gälische nicht erkannte?
, fragte sich Blackraven alarmiert. Es wurde doch dort genauso
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