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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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mir schon gesagt, dass man behauptet, er sei diesem Grauen lebend entkommen. Aber es sind so viele Jahre vergangen, dass alle Hoffnung in mir erloschen ist. Als ich heute deinen Freund kennenlernte, sind all die Erinnerungen an die glücklichen Jahre wieder hochgekommen. Weißt du, ich versuche mir immer vorzustellen, wie mein Bruder Louis als Erwachsener ausgesehen hätte. Wir wurden getrennt, als er acht Jahre alt war, und ich habe ihn nie mehr wiedergesehen. Weil er in der Zelle unter uns untergebracht war, konnten meine Tante Elisabeth und ich ihn hören. Die Wachen und dieser Grobian Simon, sein Vormund, hielten ihn an zu trinken und zu fluchen. Wir weinten und dankten Gott, dass meine Mutter den Verfall ihres Sohnes nicht mitansehen musste.«
    Blackraven legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie nah an sich heran. »Aber, aber, meine Liebe, ich möchte nicht, dass du an einem Tag wie heute Trübsal bläst. Lass uns die Vergangenheit begraben, die für uns beide so schmerzlich war.«
    »Ich habe nicht vergessen, dass auch du schrecklich gelitten hast. Aber du bist stärker als ich. Ich habe dich nie gebrochen erlebt.«
    »Du hast so viel durchgemacht, und doch stehst du hier gesund und munter vor mir und lächelst mich an. Du bist eine sehr starke Frau.«
    »Ach, mein geliebter Roger!«, rief sie aus und schlang die Arme um ihn.
    Aus der Mühle kam Geschrei. Mehrere Sklaven kamen herausgelaufen, als flöhen sie vor einer Erscheinung. Man hörte Gebell
und Rufe, vor allem von Bustillo. Blackraven stellte fest, dass Traver und Désoite nicht mehr zu sehen waren, und lief sofort dorthin.
    »Was ist denn da los?«, fragte Melody beunruhigt, als sie Béatrice eingeholt hatte.
    »Ich weiß es nicht. Es gab Radau in der Mühle. Roger ist hingelaufen, um zu sehen, was los ist.«
    »Ihr bleibt hier bei Señorita Béatrice«, wies sie die Kinder an.
    Sie ging in die Mühle und sah, dass Bustillo seinen Hund am Halsband gepackt hatte und Blackraven ihm eine Standpauke hielt. Auf einem Futtersack saß – umringt von Traver, Leonilda und Elisea – Pierre Désoite und hielt sich den linken Arm. Sein Hemd war zerrissen und zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Dieser verdammte Hund hat ihn angegriffen«, erklärte Leonilda.
    »Ich frage mich, ob er die Tollwut hat«, sagte William Traver.
    »Keine Angst, Monsieur Désoite«, sagte Melody, »der Hund hat keine Tollwut. Er ist ein unbändiger Kerl, das ist alles. Er hat schon ein paar Landarbeiter gebissen, und keiner hat Krankheitssymptome gezeigt.«
    »Man sollte ihn töten«, empörte sich Traver.
    »Er ist ein großartiger Rattenjäger, hält uns die Plage vom Leib. Bustillo ist schuld, weil er ihn tagsüber frei laufen lässt, um die Arbeiter einzuschüchtern.«
    »Gehen wir ins Haus«, sagte Blackraven verärgert. »Trinaghanta weiß, wie man mit der Wunde umgeht.«
    Im Salon riss Blackraven Désoites Hemdärmel auf. Mehrere Köpfe beugten sich über den Arm, um die Wunde zu begutachten. Es war nicht schlimm, doch man sah deutlich, wo sich die Zähne ins Fleisch gebohrt hatten. Béatrice bekam einen Schwächeanfall und musste sich hinlegen.
    Nachdem die Wunde versorgt war, blieb das Grüppchen im Salon und spielte Karten. Melody setzte sich ans Klavier und spielte aus den Notenblättern, die sie am Tag zuvor gekauft hatte.
     
    Vor dem Abendessen zog sich Blackraven in sein Arbeitszimmer zurück. Kurz darauf klopfte Somar.
    »Wenn später alle schlafen gegangen sind, werde ich in die Stadt reiten. Du musst mir Black Jack satteln«, sagte Blackraven.
    »Was ist denn los? Du siehst besorgt aus.«
    »Es ist wegen William Traver. Ich habe ihn eingeladen, über Nacht hierzubleiben, und er hat angenommen. Und so will ich die Gelegenheit nutzen, um in seine Wohnung zu gehen und herauszufinden, wer er wirklich ist. Mit Sicherheit kein Schotte, wie er behauptet. Ich will, dass du während meiner Abwesenheit die Augen offen hältst und dich in der Nähe der Zimmer postierst. Falls nötig, bittest du Servando, dir zu helfen.«
    »Übernachtest du in deinem Stadthaus?«
    »Nein, ich komme zurück, sobald ich meine Nachforschungen beendet habe. Sag Isaura, ich möchte sie sehen.«
    Melody fand ihn im Billardzimmer, wo er die Kugeln mit der Hand über den Tisch stieß. Er wirkte so abwesend, dass sie sich gar nicht traute, ihn anzusprechen. Als er sie bemerkte, eilte er freudig auf sie zu.
    »Somar sagte, du wolltest mich sehen.«
    Er

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