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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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ein Schwein, wie ich selber. Alle sind wir Schweine!“
    Ich ging weg und ließ ihn stehen. Er tat mir zwei, drei Schritte nach, dann blieb er zurück, kehrte um und rannte davon. Mir wurde übel aus einem
    Gefühl von Mitleid und Abscheu, und ich kam von dem Gefühl nicht los, bis ich zu Hause in meinem kleinen Zimmerchen meine paar Bilder um mich stellte und mich mit sehnlichster Innigkeit meinen eigenen Träumen hingab. Da kam sofort mein Traum wieder, vom Haustor und Wappen, von der Mutter und
    der fremden Frau, und ich sah die Züge der Frau so überdeutlich, daß ich noch am selben Abend ihr Bild zu zeichnen begann.
    Als diese Zeichnung nach einigen Tagen fertig war, in traumhaften Vier-
    telstunden wie bewußtlos hingestrichen, hängte ich sie am Abend an meiner Wand auf, rückte die Studierlampe davor und stand vor ihr wie vor einem Geist, mit dem ich kämpfen mußte bis zur Entscheidung. Es war ein Gesicht, ähnlich dem frühern, ähnlich meinem Freund Demian, in einigen Zügen auch ähnlich mir selber. Das eine Auge stand auffallend höher als das andere, der Blick ging über mich weg in versunkener Starrheit, voll von Schicksal.
    Ich stand davor und wurde vor innerer Anstrengung kalt bis in die Brust hinein. Ich fragte das Bild, ich klagte es an, ich liebkoste es, ich betete zu ihm; ich nannte es Mutter, ich nannte es Geliebte, nannte es Hure und Dirne, nannte es Abraxas. Dazwischen fielen Worte von Pistorius – oder von Demian?
    – mir ein; ich konnte mich nicht erinnern, wann sie gesprochen waren, aber ich meinte sie wieder zu hören. Es waren Worte über den Kampfjakobs mit dem Engel Gottes, und das Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“.
    ”
    Das gemalte Gesicht im Lampenschein verwandelte sich bei jeder Anrufung.
    Es wurde hell und leuchtend, wurde schwarz und finster, schloß fahle Lider über erstorbenen Augen, öffnete sie wieder und blitzte glühende Blicke, es war Frau, war Mann, war Mädchen, war ein kleines Kind, ein Tier, verschwamm zum Fleck, wurde wieder groß und klar. Am Ende schloß ich, einem starken, inneren Ruf folgend, die Augen und sah nun das Bild inwendig in mir, stärker und mächtiger. Ich wollte vor ihm niederknien, aber es war so sehr in mir innen, daß ich es nicht mehr von mir trennen konnte, als wäre es zu lauter Ich geworden.
    Da hörte ich ein dunkles, schweres Brausen wie von einem Frühjahrssturm und zitterte in einem unbeschreiblich neuen Gefühl von Angst und Erlebnis. Sterne zuckten vor mir auf und erloschen, Erinnerungen bis in die erste, vergessenste Kinderzeit zurück, ja bis in Vorexistenzen und frühe Stufen des Werdens, strömten gedrängt an mir vorüber. Aber die Erinnerungen, die mir mein ganzes Leben bis ins Geheimste zu wiederholen schienen, hörten mit ge-78
    stern und heute nicht auf, sie gingen weiter, spiegelten Zukunft, rissen mich von heute weg und in neue Lebensformen, deren Bilder ungeheuer hell und blendend waren, an deren keines ich mich aber später richtig erinnern konnte.
    In der Nacht erwachte ich aus tiefem Schlaf, ich war in den Kleidern und lag quer überm Bett. Ich zündete Licht an, fühlte, daß ich mich auf Wichtiges besinnen müsse, wußte nichts mehr von den Stunden vorher. Ich zündete Licht an, die Erinnerung kam allmählich. Ich suchte das Bild, es hing nicht mehr an der Wand, lag auch nicht auf dem Tische. Da meinte ich mich dunkel zu besinnen, daß ich es verbrannt hätte. Oder war es ein Traum gewesen, daß ich es in meinen Händen verbrannt und die Asche gegessen hätte?
    Eine große zuckende Unruhe trieb mich. Ich setzte den Hut auf, ging durch Haus und Gasse, wie unter einem Zwang, lief und lief durch Straßen und
    über Plätze wie von einem Sturm geweht, lauschte vor der finstern Kirche meines Freundes, suchte und suchte in dunklem Trieb, ohne zu wissen was.
    Ich kam durch eine Vorstadt, wo Dirnenhäuser standen, dort war hier und da noch Licht. Weiter draußen lagen Neubauten und Ziegelhaufen, zum Teil mit grauem Schnee bedeckt. Mir fiel, da ich wie ein Traumwandler unter einem fremden Druck durch diese Wüste trieb, der Neubau in meiner Vaterstadt ein, in welchen mich einst mein Peiniger Kromer zu unserer ersten Abrechnung gezogen hatte. Ein ähnlicher Bau lag in der grauen Nacht hier vor mir, gähnte mit schwarzem Türloch mich an. Es zog mich hinein, ich wollte ausweichen und stolperte über Sand und Schutt; der Drang war stärker, ich mußte hinein.
    Über Bretter und zerbrochene Backsteine hinweg taumelte

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