Demokratie! - wofür wir kämpfen
komplexen Strukturen und Gerätschaften zur Verteilung und Reinigung des Wassers von einem effektiven demokratischen Management geführt werden und den Entscheidungen der Bürger selbst unterliegen. Wir sprechen bewusst von Bürgern, nicht von Nutzern oder Kunden, um zu unterstreichen, dass das Wasser und seine Infrastruktur durch eine egalitäre und demokratische Beteiligung verwaltet wird.
Damit das Wasser tatsächlich zum Gemeingut wird, muss der Verfassungsgrundsatz des freien Zugangs zur Anwendung kommen und im Detail an die Situation angepasst werden. Auch der Grundsatz der Nachhaltigkeit muss Berücksichtigung finden, das heißt, wir müssen uns die Zukunft so vorstellen, als sei sie Teil der Gegenwart, und auf diese Weise dafür sorgen, dass das Wasser auch für künftige Generationen verfügbar bleibt. Und schließlich darf das Wissen um gesellschaftliche Bedürfnisse und technische Anforderungen nicht die Domäne von Experten (und damit eine Waffe von Politikern) bleiben, sondern es muss unter den Bürgern verbreitet werden. Wo es nicht genug Wasser gibt, um die Bedürfnisse der Stadt und der Landwirtschaft zu befriedigen, muss eine informierte Bevölkerung demokratisch über die Verteilung entscheiden.
»Aber was weiß ich denn schon von der Trinkwasserversorgung?«, mögen sich viele fragen. »Will ich meine Zeit wirklich darauf verwenden, mich mit dieser Frage zu beschäftigen?« Wissen ist offenkundig eine notwendige Voraussetzung für die demokratische Beteiligung und die gemeinsame Verwaltung des common . Vor allem sollten wir die Komplexität des Wissens nicht überschätzen, das erforderlich ist, um an politischen Entscheidungenüber gesellschaftliche Fragen teilzunehmen. Wir haben gelernt, apathisch zu sein und uns nicht zu informieren; wir wurden lange angehalten, unseren Wunsch nach einer aktiven Beteiligung am Gemeinwesen zu unterdrücken, und man hat uns weisgemacht, gesellschaftliche Zusammenhänge seien so kompliziert, dass nur Experten sie verstehen können. Aber in früheren Epochen trafen die Gemeinschaften die Entscheidungen über die Verteilung von Wasser und anderen Ressourcen auch gemeinsam – die Aymara in den Anden genauso wie die Küstenbewohner der Niederlande oder die Menschen in den Alpen. Wir müssen heute die Neugierde nach dieser Art von Wissen wieder wecken und die Freude an der politischen Beteiligung neu entdecken.
Wasser zum Gemeingut zu erklären bedeutet etwas ganz anderes, als es zu einem öffentlichen Gut zu machen, dessen Verteilung und Verwaltung vom Staat und von den Behörden geregelt wird. Gemeinsame Entscheidungen über das Gemeingut werden in demokratischer Beteiligung getroffen und nicht durch gewählte Vertreter oder Experten. Dieser Unterschied wirft eine entscheidende Verfassungsfrage auf. In den heutigen Verfassungen werden Öffentliches Recht und Öffentliche Gewalt in Tandem mit dem Privatrecht definiert, und in der liberalen und repräsentativen Ordnung werden sie der privaten Kontrolle unterstellt. Die Überführung des Öffentlichen in das Gemeinsame wirft also mindestens drei grundsätzliche Fragen auf. Erstens muss ein Gemeinrecht mit den entsprechenden juristischen Instanzen geschaffen werden, das es den Bürgern erlaubt, Gemeingüter gemeinsam zu kontrollieren und zu verwalten. Zweitens muss, basierend auf den Grundsätzen des Gemeinguts, eine neue Verwaltung geschaffen werden. Und drittens müssenBesitz und Management auf der politischen Ebene demokratischen Prozessen unterliegen. Um von Gemeingütern sprechen zu können, müssen also verfassungsmäßige Prozesse geschaffen werden, über die Bürger diese Güter in direkter demokratischer Beteiligung verwalten können.
Wenn wir das Gemeinsame in den Mittelpunkt der Gesellschaft und Verfassung stellen, hat dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Rechtstheorie. Vor allem müssen wir mit dem Mythos vom »Gemeinwillen« aufräumen, der laut Rousseau den Willen des Volkes als Ganzes verkörpert und daher den »Willen aller« transzendiert. Ein Gemeingut, das von allen Bürgern demokratisch verwaltet wird, ist nicht transzendent, sondern der Gemeinschaft immanent. Der Revolutionär Rousseau, der Privateigentum als Verbrechen bezeichnete, stellte sich vor, um allen gehören zu können, müsse der Gemeinwille über allen stehen und dürfe niemandem gehören. Damit öffnete er jedoch etatistischen und sogar autoritären Interpretationen Tür und Tor. Ein Gemeingut ist dagegen etwas, das von allen
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