Demolition
in eine gewölbte Gemäldegalerie von etwa fünfzehn Meter Länge. Auch hier war die Beleuchtung ausgeschaltet, aber die lumineszenten Gemälde, die unter ultravioletten Spotlights glommen, erfüllten die langgestreckte Räumlichkeit mit kränklichem Glanz. Die Galerie war menschenleer. Zwischen der lüsternen Darstellung Lukrezias und dem Bildnis einer Schar Sabinerinnen befand sich eine glatte Tür aus polierter Bronze. Reich blieb davor stehen, holte aus seiner Gesäßtasche die kleine Anti-Visual-Kapsel und versuchte den kupfernen Profilstab fest zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten. Seine Hände bebten heftig. In seinem Innern brodelten Wuß und Haß, und seine Lust an Tod und Verderben jagte eines nach dem anderen Bilder eines grausam gestraften D'Courtney an seinem geistigen Auge vorüber.
»Herrje!« rief er mit gepreßter Stimme. »Er ist doch gegen mich! Er geht mir an die Gurgel. Ich kämpfe ums Überleben!« Er fauchte seine Stoßseufzer in fanatischen Dreier-und Neunersatzgebilden heraus. »Steh mir bei, Herrgott! Heute und morgen so wie gestern. Steh mir bei! Steh mir bei! Steh mir bei!« Seine Finger beruhigten sich; er hielt die Kapsel in sicherem Griff und drückte mit einem Ruck die Bronzetür einwärts, die daraufhin den Blick auf eine Treppe aus neun Stufen freigab, die hinauf zu einem Vorraum führten. Reich ließ seinen Daumennagel mit einer Kraft gegen den Verschluß der Kapsel schnippen, als wolle er eine Münze zum Mond schleudern. Er wandte die Augen ab, als er die Kapsel nach oben warf. Ein kalter, blauroter Blitz zuckte. Reich sprang die Treppe hinauf wie ein Tiger. Die beiden Leibwächter der Beaumont saßen noch auf der Bank, wo Reichs Eindringen sie überrumpelt hatte. Ihre Gesichter waren schlaff und ausdruckslos, ihr Sehvermögen war aufgehoben, ihr Zeitgefühl verloren. Falls jemand kam und die beiden Männer entdeckte, bevor er seine Tat ausgeführt hatte, bedeutete das die Demolition. Sollten sich die Leibwächter erholen, ehe die Tat vollbracht war, bedeutete das die Demolition. Ganz gleich, was nun geschah, er spielte mit der Demolition. Indem er die letzten winzigen Reste von Bedenken erstickte, öffnete Reich die mit Edelsteinen verzierte Tür und betrat die Hochzeits-Suite.
5
eich gelangte in einen kugelförmigen Raum, der gestaltet war wie der Kelch einer riesenhaften Orchidee. Die Wände glichen geschwungenen Orchideen-Blütenblättern, der Boden ähnelte einem goldenen Blütenboden. Die Sessel, Tische und Couches waren orchideenhaft und von goldener Farbe. Aber der Raum war alt. Die Kelchwände waren verblaßt und abgeblättert; die goldenen Fliesen des Bodens sahen mittlerweile schäbig aus, ihre kunstvolle Wiedergabe der Staubgefäße war rissig. Auf einer Couch ruhte ein alter Mann, runzlig und verwelkt, vertrocknet wie eine Strähne Tang. Es war D'Courtney, der hingestreckt lag wie ein aufgebahrter Leichnam. Erbost knallte Reich die Tür zu. »Du bist doch wohl nicht schon tot, du alter Hundsfott?!« brüllte er. »Das darf doch nicht wahr sein!« Der verblühte Mann fuhr zusammen, schaute herüber und erhob sich dann mühselig von der Couch, während sich sein Gesicht zu einem Lächeln verzog. »Aha, noch am Leben«, rief Reich begeistert. D'Courtney kam Reich entgegen, lächelte unverändert und streckte überdies die Arme aus, als heiße er einen verlorenen Sohn willkommen. »Sind Sie taub?« schnauzte Reich ihn verunsichert an. Der Greis schüttelte den Kopf. »Sie sprechen englisch«, schrie Reich. »Sie können mich hören. Sie können mich verstehen. Ich bin Reich. Ben Reich von der Monarch.« D'Courtney nickte, sein Lächeln blieb. Lautlos bewegte sich sein Mund. Plötzlich glitzerten in seinen Augen Tränen. »Zum Teufel, was ist los mit Ihnen? Ich bin Ben Reich! Ben Reich! Kennen Sie mich? Antworten Sie!«
D'Courtney schüttelte den Kopf und deutete sich auf die Kehle. Wieder regte sich sein Mund. Krächzlaute drangen über seine Lippen; dann brachte er Worte heraus, so leise wie das Rieseln von Staub. »Ben... lieber Ben... So lange gewartet... nun... nicht sprechen. Meine Kehle... kann nicht sprechen.« Erneut versuchte er Reich zu umarmen.
»Arrgh! Bleiben Sie mir vom Hals, blödsinniger Idiot!« Gereizt wich Reich dem Greis aus und umkreiste ihn wie ein Tier, die Nackenhaare gesträubt, und in seinem Blut schäumte die Mordlust.
D'Courtneys Lippen formten stumm zwei Wörter. »Lieber Ben...«
»Sie wissen, weshalb ich hier bin. Was
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