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Demolition

Demolition

Titel: Demolition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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Glas, anscheinend nackt, blondes Haar, das wehte, dunkle Augen, die weit aufgerissen waren aus Schrecken... ein Wetterleuchten wilder Schönheit.
    »Vater!« schrie das Mädchen. »Um Gottes willen! Vater!«
    Es kam herüber zu D'Courtney gelaufen. Sofort drehte Reich sich so, daß er zwischen beide geriet, ohne dabei seinen Griff zu lockern. Das Mädchen blieb ruckartig stehen, taumelte rückwärts, schrie und lief um Reich herum nach links. Reich wirbelte auf der Stelle und stach auf tückische Weise mit dem Stilett nach dem Mädchen. Es konnte ihm entgehen, mußte sich dazu jedoch hinter die Couch zurückziehen. Reich nutzte die Atempause und schob die Spitze der Klinge zwischen D'Courtneys Zähne, zwang seine Kiefer auseinander.
    »Nein!« schrie das Mädchen. »Nicht! Um Himmels willen! Vater!«
    Es stolperte um die Couch und versuchte nochmals einzugreifen. Reich stieß D'Courtney die Mündung des Revolvers in den Mund und drückte den Abzug durch. Ein dumpfer Knall erscholl, und aus D'Courtneys Hinterkopf sprudelte ein Blutschwall. Reich ließ den Toten fallen und eilte hinter dem Mädchen her. Als er es packte, leistete es Widerstand und schrie. Reich und das Mädchen kreischten gemeinsam aus vollem Halse. Unvermittelt befielen krampfartige Zuckungen Reich, und er mußte das Mädchen loslassen. Es sank vornüber auf die Knie und kroch zu dem Toten. Wie unter furchtbarem körperlichen Schmerz stöhnte das Mädchen auf, als es die Waffe, die noch zwischen D'Courtneys Lippen hervorragte, aus dem Mund des Toten zog. Dann kauerte es stumm und reglos über dem Leichnam, der noch konvulsivisch zuckte, und starrte in das wachsbleiche Angesicht.
    Reich rang um Atem und rammte schmerzhaft die Knöchel seiner Fäuste aneinander. Als das Brausen in seinen Ohren abschwoll, näherte er sich dem Mädchen, während er zugleich seine Gedanken zu ordnen und ein zweites Mal ad hoc seinen Plan der veränderten Situation anzupassen versuchte. Mit einem Zeugen hatte er niemals gerechnet. Niemand hatte jemals eine Tochter D'Courtneys erwähnt. Dieser gottverfluchte Tate! Nun mußte er auch das Mädchen töten. Er...
    Das Mädchen wandte den Kopf und warf ihm über die Schulter einen Blick voller tiefstem Schrecken zu. Wieder sah er das blitzartige Aufleuchten blonden Haars, dunkler Augen, dunkler Brauen, dieser ganzen wilden Schönheit. Es sprang auf, entwand sich seinen klammen Händen, lief zu der mit Edelsteinen besetzten Tür, riß sie auf und stürmte hinaus ins Vorzimmer. Während die Tür langsam wieder zurückschwang, sah Reich die Leibwächter noch schlaff auf der Bank sitzen, er sah das Mädchen lautlos die Treppe hinunterfliehen, in den Händen den Revolver -in ihrer Hand die Demolition.
    Reich gab sich einen Ruck. Sein gestocktes Blut begann wieder durch die Adern zu pochen. Mit drei Sprüngen erreichte er die Tür, polterte die Treppe hinab und stürzte in die Gemäldegalerie. Dort erblickte er sie nicht, aber er bemerkte, wie sich die jenseitige Tür gerade schloß. Und noch immer hörte man von dem Mädchen keinen Laut. Noch schlug es nicht Alarm. Wie lange mochte es noch dauern, bis sie das ganze Haus zusammenschrie? Er rannte durch die Gemäldegalerie und in den Übergang. Überall herrschte unverändert pechschwarze Dunkelheit. Er tastete sich blindlings dahin und gelangte auf den Treppenabsatz oberhalb des Musikzimmers. Dort verharrte er. Nichts war zu hören. Noch immer entstand kein Lärm. Er stieg die Treppe hinab. Die stille Finsternis war gräßlich. Warum schrie das Mädchen nicht? Wo war es? Reich strebte zum westlichen Torbogen und erkannte es am ruhigen Gluckern der Springbrunnen, als er wieder den Festsaal erreichte. Wo steckte das Mädchen? Wo in all diesem schwarzen Schweigen befand es sich? Und mit ihm die Waffe! Herr im Himmel! Sein frisierter Revolver!
    Eine Hand berührte seinen Arm. Erschrocken fuhr Reich zurück. Tates Stimme flüsterte auf ihn ein. »Ich habe achtgegeben. Sie haben genau...«
    »Sie Vollidiot!« knirschte Reich aufgebracht. »Er hatte seine Tochter dabei! Warum haben Sie nicht...«
    »Seien Sie still«, unterbrach ihn Tate unwirsch. »Ich sehe mir's in Ihrem Kopf an.« Nach fünfzehn Sekunden atemlosen Schweigens begann er haltlos zu beben. »Mein Gott«, winselte er. »O mein Gott...« Seine Stimme zeugte von panischer Furcht.
    Seine Reaktion wirkte jedoch auf Reich wie ein Katalysator. Reichs Selbstbeherrschung stellte sich wieder ein. Er begann wieder klar zu denken.

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