Demolition
sie«, rief Powell. »Vielleicht kriege ich jetzt doch noch den entscheidenden Dreh! Bleiben Sie, wo Sie sind, Chooka. Ich komme so flugs wie ein Jumper fliegen kann.«
Der Bildschirm verdunkelte sich. Reich mahlte mit den Zähnen und schmeckte Blut. Er drehte sich auf dem Absatz um, verließ in aller Eile das Regenbogenhaus und machte einen leeren Münz-Jumper ausfindig. Er warf einen halben Kredit in den Schlitz, öffnete den Schlag und stieg ein. Als er mit ungestümem Fauchen himmelwärts schoß, streifte er das Dachgesims des dreißigsten Stockwerkes und überschlug sich fast. Unklar sah er ein, daß er weder dazu in der Verfassung war, einen Jumper zu steuern, noch eine Falle zu ersinnen. »Verzichte aufs Nachdenken, ermahnte er sich. »Versuch erst gar nicht zu planen. Überlaß alles deinem Instinkt. Du bist ein Mörder. Du bist der geborene Mörder. Warte ab und töte, wenn's soweit ist.« Während der ganzen Flugstrecke zu den Hudson-Schleusen hatte Reich mit sich und den Kontrollen zu kämpfen; er lenkte den Jumper mühevoll durch die wechselhaften Luftströmungen überm North River abwärts. Sein »Mörderinstinkt« veranlaßte ihn zu einer Bruchlandung im Garten hinter Powells Haus. Den Grund begriff er selbst nicht. Als er die verbogene Tür des Jumpers aus dem Rahmen trat, meldete sich eine Automatenstimme. »Die öffentlichen Verkehrsbetriebe bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Sie sind für jeden Schaden an Öffentlichen Verkehrsmitteln haftbar. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Anschrift. Sollten wir zu Ermittlungen gezwungen sein, entstehen Ihnen zusätzliche Kosten. Vielen Dank.«
»Bald werde ich noch für viel mehr haftbar sein«, höhnte Reich. »Melden Sie sich rechtzeitig an.« Er verbarg sich unter dichtem Forsythiengesträuch und wartete mit schußbereitem Scrambler. Dann verstand er, warum sein Instinkt ihn zu dieser Bruchlandung getrieben hatte. Das Mädchen, das an Powells Apparat gegangen war, kam aus dem Haus und lief durch den Garten zum Jumper. Reich wartete. Sonst kam niemand zum Vorschein. Das Mädchen war allein. Er sprang aus dem Gesträuch, und das Mädchen fuhr herum, ehe es ihn hörte. Also eine ESPer. Er drückte den Abzug bis zum ersten Anschlag durch. Die Haltung des Mädchens erstarrte, es zitterte nur noch... war hilflos. Im ersten Augenblick neigte Reich dazu, die Waffe auf tödliche Wirkung einzustellen, aber wieder griff sein Instinkt ein und hielt ihn zurück. Auf einmal wußte er, welche Falle sich Powell stellen ließ. Es war besser, das Mädchen erst im Hause zu töten. Dann konnte er die Leiche mit Sprengkapseln garnieren und als Köder für Powell verwenden. Schweiß rann dem Mädchen übers dunkle Gesicht. Die Kiefermuskulatur zuckte. Reich nahm den Arm des Mädchens und führte es durch den Garten zum Haus; es ging mit der Steifbeinigkeit einer Vogelscheuche. Im Innern des Hauses brachte Reich das Mädchen durch die Küche ins Wohnzimmer. Dort bettete er es auf eine lange Liege mit Kordbezug; es widersetzte sich ihm mit allem, was es außer dem Körper besaß. Er grinste roh, beugte sich hinab und küßte es auf den Mund. »Schönen Gruß an Powell«, sagte er, trat zurück und hob den Scrambler. Dann senkte er die Waffe wieder. Jemand beobachtete ihn.
Nahezu gleichgültig drehte er sich um und ließ seinen Blick durchs Wohnzimmer huschen. Er sah niemanden. Er wandte sich wieder dem Mädchen zu. »Stellst du das mit TW an, Gedankenschnüfflerin?« fragte er und hob erneut den Scrambler. Und wieder ließ er ihn sinken. Jemand beobachtete ihn!
Diesmal streifte Reich durch das Wohnzimmer, schaute hinter die Sessel und in die Wandschränke. Außer ihnen beiden befand sich niemand im Raum. Er sah in der Küche und im Bad nach. Auch dort war kein Mensch. Er kehrte zurück ins Wohnzimmer und zu Mary Noyes. Da fiel ihm das Obergeschoß ein. Er eilte zur Treppe und begann hinaufzusteigen; plötzlich blieb er mitten im Schritt stehen, als habe ihn der Blitz getroffen. Jemand beobachtete ihn. Sie befand sich oben hinterm Treppenabsatz, kniete am Geländer und lugte hindurch wie ein Kind. Sie war wie ein Kind gekleidet, nämlich in ein enges Leotard, und ihr Haar war im Nacken mit einem Band zusammengebunden. Sie sah ihn mit der drolligen, rätselhaften Miene eines Kindes an. Barbara D'Courtney. »Hallo«, sagte sie. Reich begann zu schlottern. »Ich bin Baba«, fügte sie hinzu. Reich machte eine Bewegung, als wolle er weiter hinauf. Sofort stand sie auf und kam
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