Demon Lover
stolperte bei jedem Schritt. Irgendwann würde noch alles explodieren.
«Das geht nur, wenn du an dich glaubst», erklärte Gerald.
Sie schlang die Arme um die Beine, wie sie es als Kind zu tun pflegte, wenn ihr Vater sie wegen einer Verfehlung bestraft hatte. Ihr Daddy hatte die körperlichen Züchtigungen selbst vorgenommen und dabei einen hässlichen Gürtel mit Schnalle benutzt.
Kendra musste lächeln. «Sollen wir uns jetzt bei den Händen fassen und Halleluja singen?» Als sie aufschaute, huschte Missbilligung über sein Gesicht, die sich gleich wieder verflüchtigte, und er begann zu lächeln, wenn auch ein wenig angestrengt. «Das ist nicht komisch. Du weißt genau, dass ich ein abgefallener Katholik bin.»
Kendra senkte den Kopf und schaute auf ihren Schoß. Mit einem leisen Schnauben verflüchtigte sich ihr letzter Rest an Energie. «Und ich bin gerade eben abgefallen», flüsterte sie so leise, dass er es kaum hören konnte. Sie schloss die Augen und erwartete trostvolle Dunkelheit. Doch die war ihr nicht vergönnt. Erinnerungen wurden wach, so leuchtend bunt wie ein Film in Technicolor. Ihr Blut geriet in Wallung, als sich vor ihrem geistigen Auge erotische Szenen abspulten.
Ihr stockte der Atem. Sie wurde von leichtem Unbehagen erfasst. Wie war es möglich, dass sie sich so deutlich an die Berührung von Remis Körper erinnerte? Oder an seine Hände, die sie gestreichelt hatten? Oder an die samtige Spitze seines Schwanzes, der an ihrer Rosette angeklopft hatte? Jede Einzelheit stand ihr vor Augen und ging mit den entsprechenden Empfindungen einher.
Die Erinnerung erschütterte sie. Einen Moment lang bekam sie keine Luft.
Schließlich seufzte sie schwer.
Ich habe mir alles bloß eingebildet
.
[zur Inhaltsübersicht]
5
Kendra schaute in den ovalen Spiegel, der über dem Toilettentisch hing. Von ihrem Sturz hatte sie nicht nur eine schmerzhafte Beule, sondern auch einen blauen Fleck zurückbehalten.
Sie zuckte zusammen. Verflixt! Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Jetzt war sie noch ein bisschen hässlicher geworden.
Sie beugte sich vor und betrachtete ihr Spiegelbild. Das tiefschwarze Haar, im kurzen Stufenschnitt, rahmte ihr Gesicht ein. Der Pony war mit Haarspray an der Stirn fixiert. Sie hatte Eyeliner und Lidschatten aufgetragen, um die grünen Pupillen zu betonen. Der bronzefarbene Puder auf den Wangen kaschierte ihren ungesunden blassen Teint. So sehr sie sich auch Mühe gegeben hatte, vermochte die Schminke ihre Gesichtsnarben, die sich vom Augenwinkel bis zum Kiefer zogen, nicht vollständig zu überdecken. Dabei hatte sie noch Glück gehabt. Als sie durch die Windschutzscheibe geflogen war, hätte sie ebenso gut auch das Auge verlieren können.
Die gehören jetzt zu mir. So bin ich nun mal.
Die Verletzungen ließen sich nicht ungeschehen machen, die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen. Am Abend des 12. Oktober 2008 hatte sie eine Entscheidung getroffen, die ihr Leben unwiderruflich verändert hatte.
Sie hatte versucht, mit einem zornigen Mann zu diskutieren, mit einem Mann, dessen Achtung sie sich gewünscht hatte – noch mehr als seine Liebe. Mit einem Mann, der keine Argumente gelten ließ und keinen vernünftigen Kompromiss eingehen wollte.
«Wie blöd von mir», murmelte sie.
Kendra hätte gar nicht erst in den Wagen einsteigen sollen, und das wusste sie auch. Der Entschluss ihres Vaters hatte festgestanden, und es gab nichts, was ihn davon hätte abbringen können. Nathaniel Carter hielt nichts von Michael Roberts, brachte ihm sogar blanken Hass entgegen. Dass er ihre Heirat billigen würde, war vollkommen ausgeschlossen. Und ihre Absicht zusammenzuziehen hatte ihn auf die Palme gebracht.
Nathaniel Carter war auf die Ausfahrt zugerast, die zu den ruhigen Vorstädten von Philadelphia führte – in der Kurve war die Höchstgeschwindigkeit auf fünfunddreißig Meilen beschränkt. Von Michaels Wohnung bis nach Hause würde sie nicht lange brauchen. Vielleicht zwanzig Minuten oder etwas länger. Die Fahrbahn war nass vom Regen, es donnerte und blitzte.
Ihr Vater fuhr gerade in die Kurve ein, als die Räder in einer Pfütze ins Rutschen kamen. Er übersteuerte, riss das Lenkrad scharf nach links und lenkte den schnell fahrenden Wagen an die Leitplanke. Der Wagen überschlug sich und prallte gegen den entgegenkommenden Verkehr. Das Schrillen des Metalls war so laut, dass es alle anderen Geräusche übertönte.
Der Aufprall ging so schnell, dass sie sich an keine Einzelheiten
Weitere Kostenlose Bücher