Demonica - Ione, L: Demonica
denkt.«
»Endlich.« In Wraiths nach wie vor erzürntes Knurren hatte sich ein Hauch Belustigung geschlichen. »Wenn er sich auch einen verdammt unpassenden Moment dafür ausgesucht hat.«
Sag bloß.
Er konnte an nichts anderes als an Tayla denken, ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, sie sich aus dem Kopf zu schlagen.
Ein Piepser schlug Alarm – Shades, was bedeutete, dass der Krankenwagen ausfahren musste. Er nahm das Gerät in die Hand, warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf. Und dann warf er noch einen zweiten Blick darauf. »Fick mich … «
Wraith spähte über Shades Schulter hinweg. »Nee, falscher Bruder.« Er entblößte die Zähne in einem kalten Lächeln, das Eidolon galt. »Sieht so aus, als ob deine kleine Jägerin dich schon vermisst. Sie hat kräftig Prügel kassiert und braucht ’ne Mitfahrgelegenheit zum Krankenhaus.«
Tayla wartete in einer Seitengasse zwischen einem chinesischen Restaurant und einem Schnapsladen. Scott hatte Blut in der Gasse verspritzt, Blut, das Jagger von einem Daeva-Dämon hatte, den er vor einer Woche gefoltert hatte. Jetzt saß sie da, gegen eine Wand gelehnt, die Hand auf die nässende Wunde an ihrer Seite gepresst. Die Kombination aus Schmerz und dem Duftmix aus Dämonenblut und billigem Fastfood drehte ihr fast den Magen um.
Sie hatte das Krankenhaus von einem Münztelefon aus angerufen, und das Seltsame war: Es hatte sich eigentlich niemand gemeldet. Sie hatte ein Klicken gehört, ein Knurren, und dann war die Leitung tot gewesen. Sie hatte also keine Ahnung, ob ihr Anruf durchgekommen war oder nicht.
Wenn sie nicht so große Schmerzen gehabt hätte, wäre sie nach Hause gegangen und hätte auf den Auftrag geschissen. Nachdem sie aber kaum in der Lage war zu gehen, blieb ihr nichts anderes übrig, als still sitzen zu bleiben, bis sie wieder etwas zu Kräften gekommen war, und zu hoffen, dass der Gestank nach Dim Sum à la Daeva sie nicht doch noch zum Kotzen brachte.
Ihre Geduld wurde belohnt, als Eidolons Bruder Shade und eine Umbra-Dämonin, die er Skulk nannte, eine Viertelstunde nach dem Anruf eintrafen. Allerdings konnte sie sich nicht entscheiden, ob sie darüber glücklich sein sollte, dass sie Eidolons Bruder geschickt hatten. Offensichtlich war er kein Fan von ihr, aber immerhin kannte sie ihn. Besser der Feind, den man kennt, und so weiter und so fort.
Niemand sprach ein Wort, während Shade sie – nicht übermäßig behutsam – zum wartenden schwarzen Krankenwagen trug, den die Passanten gar nicht zu bemerken schienen. Sie erinnerte sich, dass sich Eidolon wegen seines BMW keinerlei Sorgen gemacht hatte … vielleicht beschützte der Zauber, der seinen Wagen umgeben hatte, auch den Krankenwagen. Die Dämonen waren sowieso geschützt, denn Menschen sahen Dämonen nicht, es sei denn, diese wollten gesehen werden, oder der Mensch hatte eine besondere Ausbildung hinter sich oder verfügte über eine seltene Gabe.
So wie Tayla, die seit dem Tag, an dem ihre Mutter starb, fähig war, diese Ungeheuer zu sehen.
»Ich fahr bei ihr mit«, sagte Shade zu der Umbra-Dämonin, als er Tayla auf die Liege legte.
Skulk warf Tayla von den Hintertüren des Krankenwagens einen finsteren Blick zu, bevor sie sie zuknallte und Tay mit Shade allein ließ. Der Wagen wurde von demselben matten, rot-gräulichen Licht erleuchtet, das ihr im Krankenhaus aufgefallen war, und an Wänden und Decke befanden sich auch dieselben Inschriften. Davon abgesehen hätte sie sich genauso gut in einem ganz normalen Krankenwagen befinden können. Irgendeinem Krankenwagen, der zufällig mit dämonischen Sanitätern vollgestopft war.
Als Shade ihr T-Shirt mit behandschuhten Händen hochschob, widerstand sie dem Drang, ihn wegzustoßen. So wie auch dem Drang, ihn mit Eidolon zu vergleichen – angesichts des identischen Tattoos, das sich über seinen Arm zog, und des kräftigen, muskulösen Körpers, der gleichmäßigen Gesichtszüge und der üppigen, langen Wimpern wäre ihr das sehr leichtgefallen …
»Hat Eidolon dir nicht gesagt, du sollst dich ein paar Tage schonen?«, knurrte er.
Sie verdrehte die Augen. »Na und.«
»Dickköpfiger Mensch.« Er legte ihr die Hand um das Handgelenk und drückte zwei Finger auf ihren Puls. »Also gut. Du fickst also meinen Bruder.«
»Du redest nicht um den heißen Brei herum, wie?«
»Meistens nicht.«
Ein seltsam warmes Gefühl ergoss sich über sie. Wo ihr Herz vor nervöser Energie wild hätte schlagen müssen, verlangsamte es
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