Demonica - Ione, L: Demonica
»Träum weiter.«
»Ach so, du bist also wählerisch bei den Dämonen, mit denen du es treibst.«
»Wraith«, sagte Eidolon mit leiser Stimme, in der eine Warnung lag, die sein Bruder ignorierte.
»Was denn? Das scheint mir doch ein wenig heuchlerisch zu sein. Jemand, der so viel Dämon in sich hat wie sie, wenn sie erst mal – «
» Halt’s Maul! «
Diesmal hörte Wraith auf ihn, aber Tayla näherte sich ihnen. »Was meinst du damit, ›wenn sie erst mal … ‹?« Sie wandte sich an Eidolon. »Ich bin doch schon Halbdämonin. Wie viel schlimmer kann’s noch werden?«
»Hast du’s ihr nicht erzählt?« Wraith lachte und sprang behände auf die Füße. Die Nachwirkung der Drogen war inzwischen vollständig verflogen. »Darf ich?«
»Mir was erzählt?«
»Nichts«, sagte Eidolon, aber Wraith bewegte sich auf sie zu, seine blauen Augen so hell wie die einer Katze, kurz bevor sie sich auf ihre Beute stürzt.
Eidolon trat zwischen sie, aber Tayla packte seinen Arm und zwang ihn, sich umzudrehen. »Bitte … sag es mir.«
Er hatte warten wollen, bis ihr Körper sie an den Rand des Erträglichen gebracht hatte, damit ihr klar wurde, dass sie seine Hilfe brauchte, aber jetzt zwang Wraith ihn zu handeln. Und vielleicht war dies ja auch genau der richtige Zeitpunkt. Die Aegis hatte sie verraten; ihre eigenen Leute hatten sie ausgestoßen und versucht, sie zu töten, wo sie sie doch hätten beschützen und schätzen müssen. Zu lernen, dass sie einer anderen Welt angehörte, würde ihren Geist vielleicht neuen Möglichkeiten gegenüber öffnen.
»Tayla, lass uns in mein Büro gehen.«
»Verarsch mich nicht«, sagte sie. Sie pflanzte sich vor ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was es auch ist, ich komme schon damit klar.«
Eidolon fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Fein. Ich hab dir doch gesagt, dass du halb Dämonin bist. Was ich dir nicht gesagt hatte, ist, dass du all diese Probleme hast, weil der Biss dieses Alu-Dämons bisher inaktive DNA aktiviert hat.«
»Inaktive DNA ?« Sie schluckte und leckte sich über die Lippen. »Was willst du damit sagen?«
»O Mann, sind Menschen dämlich«, sagte Wraith. Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand. »Er will damit sagen, dass diese DNA jetzt das Kommando übernimmt. Entweder bringt dich das um, oder es nimmt dir alles, was dich zum Menschen macht.«
Sie warf einen Blick auf Shade, der nickte, und dann auf Eidolon. »Ich kann nicht … Das kann nicht wahr sein.«
Wraiths kaltes Lachen ließ die Temperatur im Zimmer um einige Grade abfallen. »Willkommen, Jägerin«, sagte er. »Willkommen in der Hölle.«
15
Tayla sagte kein einziges Wort, während Eidolon, der sich eine frische Jeans und einen dunkelgrauen Pulli angezogen hatte, sie durch die dunklen Korridore des Krankenhauses führte. Ihre Gedanken waren immer noch an der Stelle festgefroren, an der Wraith gesagt hatte, dass sie alles verlieren werde, was sie zu einem Menschen machte. Sie schaffte es kaum, bei Bewusstsein zu bleiben – geschweige denn zu sprechen.
Und denken konnte sie erst recht nicht.
Vor ihnen umrahmte ein schwarzer Bogen ein leuchtendes Tor, so wie das, was sie im Tunnel bei Nancys Apartment gesehen hatte.
Eidolon murmelte etwas in einer Sprache, die sie nicht kannte, und führte sie hindurch. Auf der anderen Seite gelangten sie in etwas, was wie eine Höhle aus schwarzem Marmor aussah, in deren glänzende Wände so etwas wie Landkarten geschnitzt worden waren.
Eidolon berührte eine davon, die in groben Zügen die Vereinigten Staaten darzustellen schien, und dann eine noch primitivere Abbildung des Staates New York, die gleich daneben rot aufleuchtete. Nach ein paar Berührungen erschien ein weiterer Bogen.
Nach zwei kurzen Schritten trat sie aus Mauer eines Gebäudes in der South Bronx. Als sie sich umdrehte, verriet nichts, dass sich in der Ziegelwand eben noch eine Art Tor oder Öffnung befunden hatte. Eidolon hielt ein Taxi an, und innerhalb von fünfzehn Minuten hatten sie ihre Wohnung erreicht.
Sie hatte immer noch kein einziges Wort gesagt, und ihr Verstand funktionierte auch noch nicht.
»Du kommst mit zu mir nach Hause«, sagte er. »Wir sind nur hier, um dein Wiesel und ein paar von deinen Sachen zu holen.«
»Ich kann nicht.« Ihre Stimme klang rostig und fremd und kippte fast. Sie stand kurz davor zu zerbrechen, gefangen in einem Albtraum, der einfach nicht enden wollte.
Der Dämon in dir wird dir alles nehmen, was dich zum Menschen
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