Demonica - Ione, L: Demonica
nicht wagen würde, sich ihr zu widersetzen. Sie wusste nicht, ob sie sich mehr über ihn ärgerte oder ihn eher bewunderte, als sie ihm hinterhersah, wie er davonstolzierte – in schwarzes Leder und schwarze Stiefel gekleidet, strahlte er gleichermaßen Selbstbewusstsein wie Bedrohlichkeit aus.
Die Frau, die er Gem genannt hatte, streckte ihm ihre gepiercte Zunge entgegen und lud Runa dann mit einer Geste ein, auf der ihr gegenüberliegenden Bank Platz zu nehmen. »Setz dich doch. Du musst Shades Gef –« Mit einem Blick auf Runas bloße Arme brach sie ab. »Oder auch nicht .«
»Doch, bin ich .« Runa seufzte. »Ich habe nur noch keine Markierungen. Shades Bruder versucht herauszukriegen, woran das wohl liegt .« Sie sah Gem zu, wie sie einen Schluck aus der Tasse nahm. »Riecht wie eine Mischung aus kolumbianischem und Kona-Kaffee .«
Gems gepiercte Braue schoss nach oben. »Wow, du bist echt gut .«
»Ich hatte früher mal einen Coffeeshop .«
Gem schob die Tasse beiseite und blickte sehnsüchtig auf die Schlange an der Essensausgabe. »Du hättest für alle Zeit einen festen Platz in meinem Herzen, wenn du diesen Trotteln nur beibringen könntest, eine anständige Tasse Kaffee zu kochen .«
»Schlechten Kaffee zu kochen, sollte ein Verbrechen sein .« Runa lächelte. Die Frau gefiel ihr. »Und du bist also Ärztin hier? Bist du ein Mensch ?« Sie biss sich auf die Lippe. »War das eine unhöfliche Frage ?«
»Gar nicht .« Gem legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten ihres Taschenbuchs und legte es zur Seite. »Ich bin Ärztin. Und ich bin halb menschlich. Tayla, Eidolons Gefährtin, ist meine Schwester. Ich geh mal davon aus, dass du sie demnächst kennenlernen wirst. Sie kann dir dabei helfen, die Verbindung besser zu verstehen. Und Shade .«
Runa starrte über den Tisch hinweg auf die Grufti-Ärztin. Wie sie sich wünschte, sich ein bisschen besser in dieser fremdartigen Welt auszukennen. Und mit Shade. »Wie gut kennst du ihn ?«
»Ich kenne ihn seit Jahren, aber so richtig viel weiß ich nicht von ihm. Er ist ein toller Paramediziner, kann das Krankenhaus genauso gut leiten wie Eidolon, aber wenn es sich um sein Privatleben handelt, wird er ziemlich schweigsam .« Gem senkte die Stimme. »Du liebst ihn, oder ?«
»Wir kennen uns ja kaum « , sagte Runa, was eigentlich keine Antwort war. »Ich meine, wir waren früher schon mal zusammen … irgendwie. Aber dann hab ich ihn mit diesen – « Sie schloss die Augen und atmete langsam aus. »Jetzt erzähle ich dummes Zeug .«
»Ja, das kann man wohl sagen .« Gem grinste. »Aber das darfst du auch. Du bist verliebt .« Gems Lächeln wurde traurig. »Aber er weiß kaum, dass du existierst, stimmt’s ?«
»So was in der Richtung « , sagte Runa leise. Sie beobachtete eine Krankenschwester mit roter Haut auf ihrem Weg zum Tresen, wo zwei menschlich aussehende Küchenhelfer unidentifizierbare Mahlzeiten austeilten. »Aber ich liebe ihn nicht .«
»Ist ja auch egal .« Gem verdrehte die Augen, wobei sich ihr silbernes, mit einem Rubin besetztes Piercing in der Augenbraue Richtung Stirn verschob. »Aber eins muss ich dir sagen, Mädel: Du hast Narben, die ziemlich tief gehen, und die haben nichts mit Shade zu tun .«
»Ich bin nicht sicher, was du meinst « , behauptete Runa, obwohl das Gegenteil der Fall war. Shades Betrug vor einem Jahr hatte sie tief verletzt, aber in Wahrheit hatte sie inzwischen Verständnis für seine Lage, auch wenn es immer noch wehtat.
Doch das war es nicht, wovon die andere Frau sprach, und das wusste Runa.
Gems grüne Augen leuchteten gespenstisch auf. »Shade kann sie heilen, aber nur, wenn du es zulässt. Nur, wenn du ihm vertraust .«
Vollkommen in Gems Worte versunken, fuhr Runa zusammen, als sich Shades Hand auf ihre Schulter legte. In der anderen Hand trug er einen Jutesack.
»Lass uns gehen .« Er zeigte mit dem Finger auf Gem. »Und du kümmre dich um deinen eigenen Kram und verschone uns mit deinem Seelenschänder-Scheiß .«
Gem erhob sich. »Ich lass dir das noch mal durchgehen, weil ich weiß, dass du viel durchgemacht hast .« Sie schnappte sich ihr Buch. »Aber vergiss ja nicht, dass ich auch deine Narben sehen kann, und der Pfad, auf dem du dich gerade bewegst, wird dir noch mehr davon zufügen .«
»Jetzt gehst du zu weit .« Shades Stimme durchdrang das leise Gemurmel, das in der Cafeteria herrschte, und verursachte angespanntes Schweigen. Sogar die Dämonen in der Grube wurden still.
Die
Weitere Kostenlose Bücher