Demonica - Ione, L: Demonica
Grufti-Ärztin starrte ihm in die Augen, als wäre sie geneigt, das Thema auszudiskutieren, aber Shades ausdrucksloser schwarzer Blick wirkte wenig einladend. »Ich weiß, was ich sehe, Shade .« Damit stolzierte sie aus dem Raum – ein Wirbel aus Schwarz und Blau und silbernen Piercings.
So wie sich Shade gerade aufgeführt hatte, erwartete Runa eigentlich eine ganze Tirade bitterböser Flüche, aber er überraschte sie, indem er nur milde sagte: »Komm mit .«
Sie rührte sich nicht. »Was ist denn ›Seelenschänder-Scheiß‹?«
»Gem ist zur Hälfte Seelenschänder. Sie erkennen Narben und Schwächen in anderen und nutzen das aus. Jetzt lass uns gehen .«
»Augenblick mal – und von was für einem Pfad hat sie dann geredet ?«
»Nichts, verdammte Scheiße. So, willst du dein Fell hier im Krankenhaus wachsen lassen oder lieber in der Höhle ?«
»Nichts ?«
»Runa, vergiss es. Das willst du gar nicht wissen. Vertrau mir .«
Gott stehe ihr bei, sie wollte ihm ja vertrauen, wollte glauben, dass wenigstens einer anderen Person außer ihrem Bruder etwas an ihr lag.
Sie sah ihn an, den Dämon, mit dem sie verbunden war. Seine Augen waren zu dunklen, gefährlichen Schlitzen verengt, und seine Miene war so hart und unnachgiebig wie sein Körper.
Ja, Gott möge ihr beistehen.
Shade war nicht gerade bester Laune, als sie in die Höhle zurückkamen. Runa versuchte, mit ihm zu reden, aber seine Antworten beschränkten sich auf Grunzen und ein gelegentliches bissiges Ja oder Nein.
Er marschierte geradewegs in das Schlafzimmer – oder die Folterkammer – und hängte den Sack, in dem sich ihrer Vermutung nach wohl Fleisch befinden dürfte, an einen Haken in der Decke.
Sie hatte nicht vor zu fragen, was früher vielleicht schon mal an diesem Haken gebaumelt haben mochte. Allerdings verschränkte sie die Arme über der Brust und nickte in Richtung Ausrüstung, die, sorgfältig nach Art und Größe sortiert, an den Wänden hing. »Erzähl mir, was das alles ist .«
Shade schüttelte den Kopf, sodass sich das leise Wispern seines Haars, das sich am Kragen seiner Jacke rieb, zu dem gruseligen Quietschen des Fleischerhakens gesellte, der hin- und herschwankte. Das war wirklich die seltsamste Situation, in die sie je geraten war, und wenn man in der paranormalen Abteilung der U.S. Army arbeitete, wurde man jeden Tag mit seltsamen Situationen konfrontiert.
Bei diesem Gedanken errötete sie. Shade hatte sich distanziert verhalten, hatte nicht offen mit ihr über alles gesprochen, eingeschlossen das, was in diesem Raum vor sich ging – aber auch sie hatte ihre Geheimnisse, wie zum Beispiel, was die Armee über sein Krankenhaus wusste und aus welchem Grund sie tatsächlich in New York war.
Und was sollte sie um Himmels willen bloß machen, wenn der Vollmond vorbei war und sie wieder an ihre Arbeit gehen musste? Shade würde sie sicher nicht gehen lassen, aber sie hatte nicht vor, den Job aufzugeben, den sie zu lieben gelernt hatte, damit er sie hier in seiner Höhle gefangen halten konnte.
»Das musst du nicht wissen .«
»Doch, ich denke schon .«
»Runa, du willst es nicht wissen .«
»Das sagst du ständig, und ich habe es wirklich satt .« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich bin nicht mehr das brave kleine Mäuschen, mein Freund, und ich will Antworten. Jetzt .«
Shade fluchte und fuhr sich immer wieder mit den Händen durch die Haare, während er auf und ab lief. Sie riss den Blick von ihm los, vor allem, um ihm Zeit zu geben, sich wieder zu sammeln, da er kurz davorzustehen schien, aus der Haut zu fahren.
Also starrte sie an die Wände und die Reihen von Peitschen, Stöcken und Fesselutensilien, die dort hingen. Auf einem Regal standen diverse Flaschen und Tiegel aufgereiht, gleich neben Handschuhen und Masken und etwas weniger Furcht einflößenden Spielzeugen wie Federn. Gott, wie viele Frauen hatte er schon hierher gebracht? Und was hatte er mit ihnen gemacht?
»Shade? Zwingst du sie dazu ?« Bei dieser Frage drehte sich ihr beinahe der Magen um, vor allem, da sie die Antwort fürchtete.
»Nein !« Er wirbelte zu ihr herum, die Augen so wild, dass sie tatsächlich ein Stück zurückwich. »Niemals. Ich wähle Frauen aus, die es wollen. Die es brauchen .«
»Was meinst du mit ›brauchen‹?«
Wieder lief er auf und ab; mit den langen Beinen durchquerte er das Schlafzimmer, ohne ein Dutzend Schritte zu brauchen. »Weißt du noch, das erste Mal in deinem Coffeeshop? Als ich dir sagte, ich
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