Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
als sie mit Lore schlief – war es dann überhaupt noch ihre Aufgabe, Kynan zu beschützen?
Mist. Er konnte immer noch nicht fassen, dass sie es getan hatte, sich auf diese Weise selbst verdammt hatte, nachdem sie zweitausend Jahre lang davon geträumt hatte, sich einst ihre Flügel zu verdienen. Und jetzt war ihr dieser Weg versperrt.
Seinetwegen.
Er würde es irgendwie wiedergutmachen müssen, selbst wenn er nur dafür sorgen konnte, dass sie für den Rest ihres Lebens glücklich war. Er würde sie verwöhnen und lieben und sie wie eine verdammte Königin behandeln.
Sie mussten nur erst einmal ihren Bruder töten.
»Idess?«
»Ja«, flüsterte sie. »Ja. Ich kann es tun. Ich schaffe das.« Sie packte die Armbrust mit neuer Entschlossenheit, nahm seine Hand, die den Dolch hielt, und im nächsten Augenblick befanden sie sich in einer Höhle tief in Sheoul. Die Wände waren mit lebenden Dämonen bedeckt, die an krummen und schiefen Kreuzen hingen; einige wurden bei lebendigem Leib von diversen Geschöpfen der Hölle aufgefressen.
Rami stand nur einen Meter von Lore und Idess entfernt, mit offenem Mund starrte er sie an. »Wie – «
Idess ließ Lore los und schleuderte Rami das Weinpulver ins Gesicht. Der gefallene Engel kreischte und rieb sich wie wild die Augen. Lore machte sich den Moment zunutze und vergrub sein Schwert tief im Leib des gefallenen Engels. Idess schrie auf, als sie ihren Bruder derart aufgespießt sah. Aus der Wunde trat zischend Dampf aus – ein feuchtes, groteskes Geräusch, zu dem sich das Schaben von Knochen auf Stahl gesellte, als Rami einige Schritte rückwärts stolperte und sich auf diese Weise von dem Schwert befreite.
Lore nutzte den Schwung, um mit dem Schwert zuzuschlagen; ein Hieb, der den Engel den Kopf gekostet hätte, wenn er denn sein Ziel gefunden hätte. Doch der Mistkerl wirbelte mit unvorstellbarer Geschwindigkeit davon, sodass die Schwertspitze lediglich seinen Hals streifte.
Jetzt stand er mit dem Rücken zur Wand da, die Zähne gefletscht, hielt sich den Leib und starrte Idess, die mit der Armbrust auf ihn zielte, rasend vor Wut an. »Du Miststück !«
»Rami, bitte. Hör mir zu. Es tut mir leid. Was ich getan habe, war dumm. Selbstsüchtig. Das weiß ich – «
»Du weißt das? Deine eigennützige Heldentat hat mir zwei weitere Jahrhunderte auf diesem höllischen Planeten beschert!«, brüllte er. »Und dann dafür gesorgt, dass ich mit einem Tritt aus dem Himmel befördert wurde, du schwanzlutschende Hure!«
Die Armbrust begann zu zittern. Lore schlich sich sachte an Idess heran, wo er eigentlich doch nichts lieber getan hätte, als ihrem Bruder das Schwert in den Arsch zu schieben. Ihre Stimme zitterte so heftig wie ihre Waffe. »Was ich getan habe, ist unverzeihlich. Aber die Auswirkungen meiner Tat betrafen doch nur die Erde, nicht den Himmel.«
»Du hast ja keine Ahnung.« Rami umkreiste sie; trotz seiner Bauchwunde waren seine Bewegungen so geschmeidig wie die einer Schlange. »Ich habe Tage nach meiner Aszension von deiner Tat erfahren. Wusstest du, Schwesterlein, dass Verbitterung, hat sie einmal in einem Engel Wurzel gefasst, wuchert wie Unkraut? Sie wächst und wächst, bis die Seele vor Hass ganz verschrumpelt und verseucht ist, was im Himmel nicht gern gesehen wird. Es ist also deine Schuld, dass ich hinausgeworfen wurde.«
»Nein.« Idess hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, um die hässliche Wahrheit nicht hören zu müssen. »Nein!«
»Halt endlich dein Scheißmaul!« Lore schwang noch einmal das mit qeres bedeckte Schwert, doch wieder gelang es Rami, sich mit einer raschen Drehung zu retten, sodass Lore ihm lediglich einen Streifhieb an der Schulter versetzte. Trotzdem rauchte und zischte die Wunde, und Idess wusste sehr gut, wie schrecklich es schmerzte.
»So beschützerisch und besitzergreifend.« Rami schnappte sich aus einem Fass eine zweizinkige Forke und spießte damit eines der schuppigen, rattenartigen Viecher auf, die am Fuß eines gekreuzigten Dämons genagt hatten. »Wie ein Tier«, sagte er, während er zusah, wie sich die hilflose Kreatur im Todeskampf auf den Zinken wand. »Denn das ist es, was alle Dämonen sind, Idess. Abschaum. Erbärmlicher noch als die Tiere, von denen sich Menschen ernähren.«
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätte sie ihm vermutlich zugestimmt. Aber im Laufe von zweitausend Jahren hatte sie Tiere gesehen, die mehr Herz hatten als manche Menschen, und in letzter Zeit hatte sie Dämonen
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