Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
die ihn aus seinem Leben der Einsamkeit und des Todes hervorgelockt hatte und es durch eines in Wärme und Licht ersetzt hatte.
Und Deth hatte ihm das alles soeben wieder genommen. Jetzt konnte sich Lore doch nicht mit ihr verbinden. Zur Hölle, er glaubte nicht, dass sie überhaupt zusammen sein könnten. Er stellte sich vor, wie er abends nach Hause kommen und ihr von seinem Tag erzählen würde.
Hey, Engel, heute musste ich jemanden erdrosseln. Hat ein Weilchen gedauert, bis er tot war, weil er so einen fetten Hals hatte und ich meine Todesgabe nicht benutzen konnte, nachdem du mich mal wieder völlig leer gesaugt hast. Morgen will Deth übrigens, dass ich einer Frau die Beine breche, weil sie ihren Gefährten betrogen hat. Aber ich glaube, den Job werde ich ablehnen und mir dafür zwei Tage Folter genehmigen.
O ja. Da kamen gute Zeiten auf sie zu.
Lore nahm die Hand seiner Schwester und führte sie in eine ruhige Ecke, in der Deth sie nicht belauschen konnte.
»Dieser kranke Scheißkerl!«, blaffte sie. »Ich bring ihn um, Lore. Ich werde ihm Herpes und Syphilis und Kileshi-Schwanzbrand verpassen, und dann krepiert er langsam und schmerzvoll – «
»Hör mir zu«, unterbrach Lore sie. »Ich möchte ja, dass du diese Chance bekommst, aber dafür musst du erst mal frei sein.« Nicht, dass es leicht werden würde, Deth zu töten, falls es denn überhaupt möglich war. »Ich werde in seine Dienste treten. Du wirst frei sein. Du musst nur noch Rade ins UG bringen, wenn es so weit ist.«
»Was? Nein!« Sie packte mit beiden Händen seine Jacke, stellte sich auf die Zehenspitzen und brachte ihr Gesicht direkt vor seines. »Du übernimmst das Kind und deine Brüder. Wenn einer von uns hierbleiben muss, dann bin ich das.«
Behutsam löste er ihre Hände von seiner Jacke und drückte sie an die Brust. »Sin, du musst auf mich hören. Ich schulde dir etwas. Ich schulde dir sogar sehr viel. Und ich will, dass du frei bist.«
Sie trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Ihre Augen verschwammen, zum zweiten Mal, seit sie Kinder waren. Selbst damals hatte sie nur selten geweint. »Du schuldest mir gar nichts. Es ist nur meine Schuld, dass du überhaupt hier bist. Und jetzt musst du deine Freiheit wiedererlangen.«
Frust machte sich in ihm breit. Sie machte das Ganze hier schwieriger als nötig. »Und genauso bist du doch nur meinetwegen hier. Wenn ich dich nicht vor all diesen Jahren im Stich gelassen hätte, wenn ich getan hätte, was ich konnte, um dich zu beschützen, wärst du nicht gezwungen gewesen, deine Dienste zu verkaufen, um zu überleben.«
»Darüber sprechen wir jetzt nicht«, erwiderte sie scharf. »Das ist die Vergangenheit, und die ist vorbei.«
Es würde für sie nie vorbei sein, und das wusste er. »Damit will ich ja nur sagen, dass du nie frei warst. Aber du brauchst die Freiheit. Du musst ein normales Leben führen, und das kannst du jetzt haben.«
Sie schnaubte bitter. »Normal? Ja, meinst du denn, ich könnte in irgendeiner Beziehung normal sein? Hallo Lore, ich bin eine scheiß Missgeburt.« Sie wedelte mit der rechten Hand vor ihm herum, als wüsste er nicht, wie viel Schmerz ihr ihr Dermoire schon bereitet hatte.
»Na ja … « Er zögerte. Eigentlich wollte er jetzt kein Thema ansprechen, das Sin direkt betraf. Dann jaulte Tavin auf – Detharu hatte ihn mit aller Kraft ins Gesicht geschlagen und Lore damit ins Gedächtnis zurückgerufen, dass es beschissene Situationen gab, die sich einfach nicht vermeiden ließen. »Was weißt du von einer Seuche unter den Werwölfen?«
Ihr Gesicht verlor augenblicklich jegliche Farbe, was seinen Verdacht bestätigte. »Du musst dich mit Eidolon in Verbindung setzen. Er hat es wohl mit einer Wargseuche zu tun.«
Sie fluchte. »Ja, okay. Später. Jetzt müssen wir uns erst mal um diesen Mist hier kümmern.« Sie warf Deth einen finsteren Blick zu. »Sieh mal, ich weiß, dass du mir den Scheiß ersparen willst, aber das kann ich nicht annehmen.«
»Du hast keine Wahl.« Lore fuhr herum. »Deth, gib sie frei. Ich werde bleiben.«
»Nein!« Sie schob ihn beiseite und schritt auf den Dämon zu. »Ich will aber nicht frei sein.«
»Verdammt, Sin, hier geht’s um lebenslänglich!«
Sie kam schlitternd zum Stehen und drehte sich langsam um, als ob das Wort »lebenslänglich« endlich zu ihr durchgedrungen wäre. Sie schluckte ein paarmal, ehe sie den Kopf schüttelte. »Das spielt keine Rolle. Die Wahrheit ist, mir gefällt es hier. Ich bin gut
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