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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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war, Bruder Hermann zu scheren, wie es die Bruderpflicht befahl, konnte er die Hand nicht ruhig führen und schnitt ihn. Dafür handelte er sich einen kräftigen Knuff ein. Bruder Hinkmar, der nächst ihnen Bruder Frulof die Tonsur erneuerte, fragte klatschsüchtig:
    »Höre mal, Bruder Hermann, wo wart ihr, du und Bruder Wilhelm, denn gestern zur Vesper?«
    Wilhelm wusste, dass Bruder Hermann nichts sehnlichster erwartete als den Tag, an dem er ehrerbietig als Magister angeredet werden würde; und richtig, Bruder Hermanns Gesicht verfinsterte sich auf die Frage hin bedrohlich ob der Anrede.
    »Des Christen Barmherzigkeit tätig üben in Melaten bei den Leprosen«, knurrte er.
    Bruder Hinkmar lächelte ein schmallippiges, wissendes Lächeln. Aber konnte es sein, dass sich in Bruder Frulofs Blick Abergunst und Anerkennung in eigentümlichem Widerstreit befanden?
    Wilhelm schleppte sich mit den anderen in den Kapitelsaal, um mit Abt Norbert das Tagewerk zu besprechen. Mit einem Plumps ließ er sich auf einem der noch freien Stühle an dem lang gestreckten Tisch nieder. An dem Tisch fanden alle Brüder Platz. Hinten, viel zu weit hinten im Saale brannte ein Feuer, das wenigstens etwas Wärme verbreitete. Wilhelm merkte, dass er gleichwohl entsetzlich fror. Und die lebenspendende Glut war so weit weg. Der Stuhl fühlte sich kalt und hart unter seinem weichen Arsche an, der sich nach dem Bett sehnte. Im Gedränge hatte er Bruder Hermann verloren. Er saß woanders. An welcher Stelle? Wilhelms Blick kreiste unstet umher. Die Wände schienen zu wanken, und er sah die Gesichter der Brüder nur umrisshaft. Ach da, zwischen den Brüdern Tauler und Seuse, geachtete Schüler des Meisters, hatte Bruder Hermann Platz genommen. Wilhelm kam sich verlassen vor. Aber immerhin war beruhigend, dass er Bruder Hermann im Blick halten konnte. Wenn er bloß klar zu sehen vermochte! Das Hören fiel ihm noch schwerer. Seine Gedanken glitten ab in den Sommer. Es war mollig warm, richtiggehend heiß. Der salzige Schweiß troff ihm von der Stirn in den Mund. Seine Kleider wurden durchnässt. Er war ein kleiner Junge. Die Barfüßer in Aachen waren nicht ausnahmslos schlecht. Bruder Jordan gab ihm einen Apfel. Einen wohlmundenden weichen Apfel. Sie saßen im ausgedörrten, fast schon wie Heu aussehenden und riechenden Gras, und Bruder Jordan schnitt hauchfeine Scheibchen ab, legte sie ihm in den Mund; so dünn waren sie, dass sie auf der Zunge fast von allein zerfielen. Geduldig hatte der Bruder weitergemacht, weil Wilhelm nicht genug von diesem Spiel bekommen konnte. Wilhelm sehnte sich plötzlich nach Bruder Jordan. Alles, was gesagt wurde, rauschte an ihm vorbei, bis sich Bruder Hermann zu Wort meldete und mit stolzgeschwellter Brust verkündete:
    »Ehrwürdiger Vater und Herr Abt Norbert, wir, also Bruder Wilhelm und ich, werden zur Terz beim ehrwürdigen Vater und Herrn Erzbischof Heinrich II. von Virneburg erwartet.«
    Welche Ehre!, dachte Wilhelm und konnte den Stolz seines Freundes nur zu gut verstehen.
    Abt Norbert dagegen zog die Augenbrauen hoch. Wilhelm konnte sich aber nicht entscheiden, ob sein Blick Missbilligung ausdrückte oder so etwas wie eine unerklärliche Angst. Bruder Hermann hatte einen forschen, herausfordernden Ton angeschlagen, mit welchem er alle Brüder in Schrecken versetzen konnte. Alle? Es gab Ausnahmen. Meister Eckhart, sicherlich auch Bruder Johannes. Aber Wilhelm meinte, dass Abt Norbert nicht weniger unter Bruder Hermann litt als er selbst. Bruder Norbert war ein edler Mensch, mildtätig zu jedermann, nachsichtig den kleinen Fehlern der Brüder gegenüber. Er entstammte einer der bedeutendsten Familien der Stadt, den Overstolzen, die ihn, als er noch ein Knabe gewesen war, der Kirche geweiht hatten, damit er für sie ihrer zahllosen Sünden wegen beten möge. Er ergab sich demütig in sein Schicksal. Nie hatte Wilhelm ihn klagen gehört. Er liebte das Essen und die Ruhe. Niemand konnte ihm etwas Arges nachsagen. Aber Bruder Hermanns kraftvollem Wesen zeigte er sich nicht gewachsen.
    »Gehet hin in Frieden«, sagte Abt Norbert langsam und, wie es Wilhelm schien, niedergedrückt. Dabei betonte er das Wort »Frieden«, sodass sich Wilhelm bange fragte, um was es sich denn handeln würde.
    Die Brüder erhoben sich, und Wilhelm tat es ihnen nach. Er suchte die Nähe von Bruder Hermann.
    »Die Sache mit dem ehrwürdigen Vater und Herrn Erzbischof Heinrich. Davon wusste ich ja gar nichts«, raunte er ihm zu.
    »Wie

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