Demudis
gebieten!«
Hanß fühlte die heftigen Worte wie Peitschenhiebe im Kopf. »Bruder Dirolf, du bist so wundersam rechtschaffen. Dein Eifer für den Herrn ist überaus löblich.« Er breitete die Hände aus. »Aber ich bitte dich, vertraue mit mir auf das Tun des Herrn. Lass uns im Gebet vereinigt sein mit allen christlichen Seelen und ihre Errettung erflehen.«
An der Stirnseite der engen Abtstube befand sich ein Kruzifix mit einem kleinen Altar davor. Die Magd hatte ein paar frische Tannenzweige darauf gelegt. Hanß erhob sich und ging vor dem Altar auf die Knie. Er begann zu beten. Er versank ganz in Gedanken und genoss die süße Zuneigung des Herrn. Als er sich erhob, sah er, dass Bruder Dirolf gegangen war. Hanß stöhnte erleichtert auf. Wie konnte er sich den Brüdern verständlich machen?
Er trank noch den letzten Schluck Wein und bettete sich dann. Wie vorgeschrieben, entkleidete er sich nicht. Im Winter war das eine durchaus erfreuliche Regel. Ganz anders verhielt es sich in der Hitze des Sommers. Hanß dachte an den Sommer, als er die klamme Decke über sich zog. Die Hände waren ihm kalt, und so führte er sie zwischen die Schenkel, um sie zu wärmen. Ihn ergriff eine schier unbezwingliche Sehnsucht. Kein Mensch kann keusch sein und sich gegen die fleischlichen Gelüste wappnen, wenn er nicht die gnädige Mithilfe des Herrn dazu findet, hatte der heilige Augustinus gesagt, entsann sich Hanß, während er sein steifes Dynck rieb. Darum also wird es wohl Sein Wille sein. Hanß versuchte noch, sich für seine Gedanken zu hassen, aber das Bild der unwiderstehlich liebreizenden Magd Agnes schob sich davor. Sie erstrahlte vor seinem Auge in ihrer ganzen herrlichen Wunderbarkeit. Es war nicht frostiger bösartiger Winter, sondern warmer, mildtätiger Sommer. Ihre festen runden Tutten mit den kecken rosigen Wertzlin, ihre gut geformten Hüften, der verführerische Duft ihrer samtweichen Haut wurden so gegenwärtig, dass Hanß meinte, er könne sie spüren. Allein diese Erinnerung war das eine Auge wert, das er um ihretwillen hatte hingeben müssen. Schließlich konnte er auch mit dem anderen Auge noch genug sehen!
Doch schnell, allzu schnell war es vorbei, und die Kälte hatte ihn wieder eingeholt. Was bin ich für ein niedriges Geschöpf, haderte Hanß mit sich, dass ich für derart flüchtige Freuden das ewige Seelenheil aufs Spiel setze und dem elenden Genuss keine Schranken setzen kann! Wie viel glücklicher wäre ich, wie es in der Schrift heißt, als einer derjenigen, »die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreiches willen«, o heilige Jungfrau, in Erwartung deiner seligen Umarmung. Aber nein, ein Verschnittener hat ja keinen Zugang zum Himmelreich, wie es im Buch Mose heißt, so danke ich dir, o Gott, dass ich sündigen darf.
Lange fand Hanß keinen Frieden, ehe ihm vor Müdigkeit die Augen zufielen.
Von dem Nutzen der Versuchung
Die sehnende Minne schafft reinen Herzens
sehr viel süße Not.
Mechthild von Magdeburg
Köln, Predigerkloster, am Morgen des 30.1.1327
Als die Glocke am folgenden Tage, dem Fest der heiligen Martina, zur Matutin rief und Wilhelm aus unruhigem Schlaf erwachte, wusste er nicht mehr, wie sie, Bruder Hermann und er, gestern Nacht zurück ins Predigerkloster gelangt waren. Sein Kopf schmerzte höllisch. Er erhob sich und torkelte mit den Brüdern aus dem Dormitorium über die schmale Treppe in die Kirche. Beinahe wäre er gestürzt. Die liebkosenden Stimmen des Gesangs während der Messe, die er sonst als so zart und himmlisch empfand, klangen nun wie furchtbare Hammerschläge. Er überstand auch das.
Dann, beim Waschen mit eiskaltem Wasser, vermeinte Wilhelm, die Haut wolle ihm vom Leibe abplatzen. Sein Blick glitt über die Brüder, bis er bei Bruder Johannes verweilte. Man erzählte sich, dass dieser auch dereinst einem holden Weibe verfallen gewesen war, fünfzig Jahre musste das nun her sein! Seitdem hatte er zur Sühnung ein heiliges Gelübde abgelegt, nicht ein Wort mehr über seine Lippen kommen zu lassen, und dies auch bis auf den heutigen Tag eingehalten. Seine Heiligkeit wurde von jedermann, selbst von den Barfüßern, anerkannt. Vielleicht bin auch ich noch nicht gänzlich verloren, dachte Wilhelm und betrachtete den Greis wehmütig. Möge Gott Gnade walten lassen und mir die Kraft schenken, Seinem Willen gemäß zu leben!
Nach der Säuberung des sündigen Leibes scherte ihn Bruder Hermann, der ebenfalls stumm litt. Als die Reihe an ihm
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