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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Gespräch wieder zu Schwester Guta zurückzulenken, obwohl sie in einer hinteren Ecke ihrer Gedanken vermerkte, dass der Bericht über den Leichenfund sich für sie nicht ganz überzeugend angehört hatte.
    »Dem einen gibt der Herr, dem anderen nimmt er«, sagte Bruder Dirolf herzlos. »Immer nach Maßgabe der ewigen Gerechtigkeit, denn diese Tote hier war augenscheinlich eine Sünderin.«
    »Dann wusstet Ihr also, wer sie war!«, rief Demudis ungehalten. Ich muss vorsichtiger sein, dachte sie bei sich, und darf mich nicht gehen oder von Gefühlen übermannen lassen.
    »Das haben wir erst später erfahren«, verteidigte sich Bruder Ruotger. »Als uns Bruder Hermann angesprochen hat. Eure Magistra hat uns gesagt, wir sollten ihre Leiche ins Predigerkloster bringen. Bruder Dirolf kann es bestätigen!«
    »Wir haben das getan, was sie uns aufgetragen hat«, pflichtete Bruder Dirolf ihm bei und schaute Demudis misstrauisch an. »Natürlich verbreitete sich die Kunde schnell unter den Predigern, und sie strömten herbei, um die Tote anzuschauen. Es gab viele Klagen. Aber Bruder Hermann nahm uns beiseite und gab uns Kunde von ihr.«
    »Ihr erwähntet, er wollte ihrer Familie Bescheid geben«, sagte Demudis. Sie hatte das Gefühl, nun alles von den Brüdern erfahren zu haben, außer was es mit Bruder Hermanns Wissen um Gutas Familie auf sich hatte. »Da wir im Konvent, so eigenartig es auch für Eure Ohren klingen mag, von einer Familie nichts wissen, aber ihr auch gern unser Beileid aussprechen würden, wäre es sehr freundlich von Euch, mir deren Namen zu verraten.«
    »Fragt Bruder Hermann doch selbst«, empfahl Bruder Ruotger.
    »Sie ist nicht von Bruder Hermann geschickt worden«, stellte Bruder Dirolf fest. »Wir gehen, Bruder Ruotger!«
    Ich muss ihn wirklich selbst fragen, dachte Demudis. Sie schaute sich um, als die Brüder von dannen getrottet waren. Schwester Guta war also nicht weiter Richtung Vrisintor gegangen. Sie hatte sich statt nach Westen gen Norden gewandt, Richtung Riehl. Wenn sie nicht noch woanders gewesen war. Aber was auch immer in der Zwischenzeit geschehen sein mag, überlegte Demudis, irgendwann muss sie das Eigelsteintor passiert haben. Demudis erinnerte sich nicht, jemals gehört zu haben, dass Schwester Guta etwas in Riehl zu schaffen gehabt hatte. Sie fragte sich aber nicht nur, warum sie nach Riehl oder wenigstens in Richtung Riehl hatte gehen wollen, sondern auch, wie es dem Meuchler möglich gewesen war zu wissen, dass sie sich genau zu diesem Augenblick dort befunden habe. Hatte sie zwischen der Zeit, als sie Demudis weggeschickt hatte, und dem Gang durch das Eigelsteintor mit jemandem gesprochen? Oder war sie erwürgt worden, als sie von Riehl zurückgekehrt war? Zeit genug dazu wäre ja gewesen. Wie dem auch sei, das Rätsel war gleich schwer zu lösen.
    Einen Zufall wollte Demudis nicht annehmen. Kein Räuber überfiel eine Begine, denn niemand, der bei Tröste war, konnte annehmen, dass sie irgendetwas von Wert bei sich trüge.
    Nachdenklich ging Demudis stadteinwärts, um im Predigerkloster Hechard aufzusuchen und mit ihm über Schwester Guta zu sprechen. Er war ihr Beichtvater gewesen. Niemand hatte ihr näher gestanden als er, und von ihm müsste sie einiges erfahren können. Außerdem hatte Bruder Hermann ihn des Mordes beschuldigt. Was gedachte Hechard dagegen zu unternehmen? Hatte Bruder Hermann schon die Schöffen unterrichtet? Auch mit ihm wollte sie sprechen und die Familie von Schwester Guta ausfindig machen.
    Als sie gedankenverloren über die Marzellenstraße ging, stieß sie unachtsam mit einem Mann zusammen. Sie erschrak sehr und strauchelte. Vor ihrem Auge erschien das widerlich keuchende Gesicht von Theoderich Oasterseye. Seine schmierigen rohen Hände grabschten nach ihr und zerrissen ihr schönes blaues Kleid. Sie biss in die dargereichte Hand. Der Mann, der ihr aufhelfen wollte und eine Entschuldigung murmelte, zog seine Hand erbost weg.
    »Beginen, Beginen, nicht so heilig, als sie schienen«, schimpfte er kopfschüttelnd, während er sich von dannen machte. »Sie werden immer frecher! Prediger Hermann hat vollkommen Recht.«
    Mühsam und noch benommen erhob sich Demudis. Sie fühlte sich, als habe sie wie einst die heilige Ursula gehandelt, die sich, gerade erst im zarten Alter von acht Jahren, dem König der angreifenden Hunnen, Attila, verweigert und dafür mit den elftausend anderen Jungfrauen den Märtyrertod erlitten hatte. Sie versuchte, das Bild ihres

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