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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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hofartig, war das Bildnis des Herrn, sicherlich angetan, denjenigen Schwestern zu gefallen, die sich die Gottesminne allzu fleischlich vorstellten. Aber der Herr ist wahrer Mensch, und darum ist sein Leiden wahres Leiden, überlegte Demudis. Sie setzte sich in eine Bankreihe, von der aus sie die ganze Kirche überblicken konnte, und ließ ihren Blick schweifen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Halse.
    Nach geraumer Zeit erschienen zwei Barfüßer, die, wenn sie keine Kutten getragen hätten, für ein närrisches Paar hätten gehalten werden können. Der eine war klein und kugelrund, der andere groß und hager wie eine Bohnenstange. Bohnen, dachte Demudis, was gäbe ich drum, wenn sie wieder wachsen würden anstelle des schier unendlichen Schnees.
    »Seid Ihr die nämliche Begine«, begann der dünne Bruder, »von der Bruder Thietmar uns ausrichten ließ, dass sie uns sprechen wolle?«
    »Gewiss«, bestätigte Demudis. »Bruder Dirolf meinte ich.«
    »Gott mit Euch«, sagte der Dicke und zwängte sich neben sie in die Kirchenbank. Der andere blieb daneben stehen.
    »Gott mit Euch«, erwiderte Demudis den Gruß an beide gewandt. »Schwester Demudis aus der Stolkgasse bin ich.«
    »Schickt Euch Bruder Hermann?«, fragte der Dicke, der sich, wie Demudis belustigt feststellte, bei der Speise ganz gewiss nicht die evangelische Armut auferlegte.
    »Wer von Euch ist Bruder Dirolf?«, fragte sie zurück. Sie merkte, dass ihre Hand zitterte, und verbarg sie in einer Rockfalte im Schoß.
    »Verzeiht, Schwester. Meine Wenigkeit heißt Dirolf«, antwortete der Dicke, und Demudis musste sich ein spöttisches Lächeln über das Wort »Wenigkeit« verkneifen, »und das da ist Bruder Ruotger.«
    »Bruder Dirolf«, sagte Demudis, »Ihr habt offenbar das Grausige, was Ihr entdeckt habt, nicht kundgetan, denn der Bruder an der Torwache wusste von nichts.«
    »Schickt Euch Bruder Hermann?«, wiederholte nun Bruder Ruotger die Frage des anderen.
    Sie erwarten offenbar jemanden mit einer Nachricht von Bruder Hermann, schloss Demudis. Was es damit wohl auf sich hat? Vielleicht ist es klug, so zu tun, als ob ich das sei. Dann könnte es sein, dass sie mir offenherziger Mitteilung machen.
    »Er ist im Augenblick nicht zugegen«, wich Demudis aus. Sie beobachtete, dass die beiden Brüder wissend nickten. »Darum wende ich mich an Euch. Die Tote war eine Schwester aus unserem Konvent.«
    »Eine entlaufene Schwester«, sagte Bruder Dirolf und kicherte vor sich hin. »Bruder Thietmar sprach von einer Entlaufenen. Da habt Ihr Euch eine feine Lüge ausgedacht.«
    Bei dem Wort »Lüge« empfand Demudis einen Stich. Sie musste sich vorsehen. In Bruder Ruotgers ungesund schmalem Gesicht sah Demudis eine ihr unerklärliche Angst geschrieben.
    Er fragte: »War es nicht recht, dass wir mit Bruder Hermann darüber sprachen? Er war sehr begierig darauf und hat versprochen, ihrer Familie Bescheid zu geben.«
    Demudis biss sich auf die Zunge. Ihrer Familie? Wieso wusste Hermann von Gutas Familie und sie selbst nicht? Er hatte doch das Gerücht in die Welt gesetzt, sie sei die Buhle von Hechard. Konnte es wirklich sein, dass er ihre Geheimnisse kannte, die sie gegenüber ihren Schwestern so sorgsam verborgen gehalten hatte? Demudis hätte zu gern gefragt, aber dann hätten die Brüder sofort gemerkt, dass sie nicht im Auftrag von Bruder Hermann handelte. Und das schien ihr doch eine gute Tarnung zu sein. Darum entschloss sie sich, nun die Frage zu stellen, mit der sie hergekommen war.
    »Wo habt Ihr die Leiche aufgefunden?«
    »Jenseits des Eigelsteintores«, antwortete Bruder Dirolf.
    Gleichzeitig fragte Bruder Ruotger: »Seid Ihr sicher, dass Bruder Hermann Euch sendet?«
    »Könnt Ihr mir zeigen, wo es genau gewesen ist?«, bat sie, ohne auf Bruder Ruotgers Frage weiter einzugehen. Ihre Selbstsicherheit verfehlte die Wirkung auf die beiden Brüder nicht, denn sie bestanden nicht auf einer Antwort.
    »Unverzüglich?« Bruder Ruotger klang unwillig.
    »Unverzüglich«, bestätigte Demudis, obwohl sie in ihren feuchten Kleidern schrecklich frieren würde.
    Demudis sah, wie die Brüder einen Blick wechselten, und als sie voranschritt, folgten sie ihr. Sie mussten nur geradewegs nach Norden durch die Pfaffenpforte gehen, vorbei an dem Predigerkloster über die Marzellenstraße und zwischen den weiß bedeckten Feldern der innerstädtischen Bauern weiter zum Tor.
    »Weiß es Euer Abt?«, fragte Demudis die einen halben Schritt hinter ihr gehenden Barfüßer.
    Bruder

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