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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Peinigers zu verscheuchen. So schnell wird falsch verstanden, was man tut, dachte sie. Ob es sich dergestalt auch bei Bruder Hermann verhält? Vielleicht hat er gute Gründe für das, was er macht. Aber es darf nicht stimmen, was er bezüglich Hechards behauptet!
    Sie vermeinte, wie in Nebel eingehüllt zu sein, als sie an den Predigern rechts einbog, um zur Pforte des Klosters zu gelangen.
    Bruder Hinkmar hatte die Torwache, und Demudis fragte ihn beiläufig, wann Schwester Guta das letzte Mal hier gewesen sei.
    »Zu Maria Lichtmess.« Bruder Hinkmar zögerte keinen Augenblick mit der Antwort. »Ist es nicht furchtbar, was mit ihr geschehen ist?«
    »Du hast ein starkes Gedächtnis, Bruder«, schmeichelte Demudis, um ihn zu weiteren Auskünften geneigt zu machen. »War sie zur Beichte bei Hechard?«
    »Nein, nein«, widersprach Bruder Hinkmar. »Verhielte es sich so, würde ich den Tag bestimmt nicht erinnern. Es war etwas ganz und gar Merkwürdiges, darum ist es mir haften geblieben. Sie hat sich mit einem Bauernburschen getroffen.«
    »Mit wem?« Demudis wurde hellhörig.
    Bruder Hinkmar zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht, Schwester.«
    »Sie haben sich im Kloster getroffen«, bohrte Demudis dennoch weiter. »Das deucht mir ein Widersinn zu sein.«
    »Mir auch. Im Abthaus. Der Herr Abt Norbert wird also mehr wissen als ich. Neugier ist eine Sünde. Ich frage nicht«, behauptete Bruder Hinkmar. Demudis nahm ihm das nicht ab. Sie kannte kaum einen Mönch, der nicht neugierig war, obwohl sie es immer nur den Weibern nachsagten, besonders den Beginen.
    Demudis hatte nun erfahren, dass Schwester Guta an Maria Lichtmess im Kloster gewesen war, um einen Bauernburschen zu treffen. Es hatte sich ein neues Rätsel aufgetan. Aber eigentlich ging es ihr um den Tag nach Maria Lichtmess. Denn das war der Tag, an dem Schwester Guta aus dem Konvent entlaufen war mit dem Ziel, Bruder Hermanns Angriffe auf die Beginen und auf Hechard zu unterbinden. Sie entschloss sich, direkt nach dem entscheidenden Tag zu fragen.
    »Am Tage nach Maria Lichtmess«, sie machte eine kleine Pause, damit er seine Erinnerung hervorrufen konnte, »war Schwester Guta auch hier?«
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis«, antwortete Bruder Hinkmar. »Bruder Einhard hatte Torwache. Warum, Schwester, fragst du nach all diesen Dingen? Haben sie etwas mit ihrem schrecklichen Tod zu tun?«
    »Neugier ist eine Sünde, hast du eben selbst gesagt, vergiss das nicht, Bruder Hinkmar«, tadelte Demudis, aber versuchte, ein Lachen vorzutäuschen, und fügte hinzu: »Schwester Guta ist entwichen, am Tage nach Maria Lichtmess. Ich versuche herauszubekommen, wo sie danach überall gewesen ist, bevor sie … ihren Tod fand.«
    »Begreife«, brummte Bruder Hinkmar.
    Demudis konnte seinem Gedankengang nun nicht folgen. »Warum ›begreife‹?«
    Bruder Hinkmar wich ihrem Blick aus. »Was so über sie gemunkelt wird.«
    Demudis ärgerte sich über diese Antwort. »Lässt du mich nun bitte eintreten, damit ich von dem ehrenwerten Vater und Herrn Abt Kunde empfangen kann?«
    Bruder Hinkmar schien ihren Ärger nicht mitbekommen zu haben, denn er blieb freundlich: »Nur zu, Schwester, er hält sich in seiner warmen Stube auf.«
    Demudis überquerte den kleinen, verschneiten Vorhof und ging zum Abthaus. Es war kaum weniger geräumig als das eines besser gestellten Bürgers, verfügte über eine Schlafkammer, eine Wohnstube, einen Empfangsraum, ein eigenes Schysshaus mit Grube, sogar eine eigene Küche und einen eigenen Brunnen. Aber soviel Demudis wusste, aß der Abt immer mit den Brüdern, und die Küche wurde nicht benutzt, außer dass im Winter der Herd befeuert wurde, um es im Haus warm zu halten.
    Sie klopfte und drückte die Tür auf. Der Abt entzündete gerade eine Kerze in der Stube, als Demudis eintrat. Die Wärme, die ihr entgegenschlug, war eine unbeschreibliche Wohltat. Aber wie immer, wenn sie vom Kalten ins Warme kam, begannen ihre Hände und Füße zu kribbeln, als liefen ihr Tausende Ameisen darüber.
    »Ehrenwerter Vater und Herr Abt Norbert«, begann sie unsicher.
    »O wie schön, dich zu sehen, Schwester«, sagte Abt Norbert. Aber sein Gesicht war in sorgenvolle Falten gelegt. »Die Frische des Lebens steht dir ins Gesicht geschrieben.«
    »Und doch bin ich in der traurigen Angelegenheit hier, die uns alle bedrückt, Vater«, dämpfte sie seine Aufmunterung.
    »Sprich, meine Tochter.«
    Demudis überlegte, was der Abt wohl bereits wisse oder gehört habe,

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