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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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er uns, der ewiglich bleibt. Wenn in einem Menschen der Lärm des Fleisches schwiege und er nun lauschend das Ohr dem zuwandte, der es erschuf, würde dann nicht erfüllt, was verheißen ist, nämlich »Gehe ein zu deines Herren Freude«? Mein Sohn, sagte sie, was mich anbelangt, so hat die Welt für mich mit allen ihren Genüssen jeglichen Reiz verloren. Ich weiß nicht, was ich hier in diesem Erdenleben noch tun und wozu ich hier noch verweilen sollte, denn weltliche Hoffnung gibt es für mich nicht mehr. Das Einzige, weswegen ich noch eine Weile zu leben wünsche, ist: Ich will dich vor meinem Tode noch als braven Gottesmann verpflichtet sehen, damit dir deine Sünden verziehen werden so wie mir die meinigen.
    Während er selber fühlte, wie er von den Wunden genas, die der Kampf um die Magd Agnes ihm geschlagen hatte, wenn er auch sein eines Augenlicht wohl für immer eingebüßt hatte, gewahrte er, wie die Kräfte seiner Mutter Uda endgültig versiegten, und so versprach er ihr, sein Leben in Gottes Hand zu geben, wie sie es sich wünschte. Daraufhin konnte sie in Frieden den Heimgang zu Ihm antreten. Aber Hanß fragte sich, als er sich mühsam und mit schmerzendem Rücken den Weg durch den Schnee bahnte, ob er sich der Gnade der Mutter wahrhaftig würdig erwiesen hatte. Der Herr hatte ihm noch nicht verziehen, denn wieder und wieder spürte er diesen fürchterlichen Stachel des Fleisches, seien es die Schmerzen im Rücken, die ihn zur Rast verleiten wollten, sei es die Kälte, die ihn zur Flucht an das Feuer veranlassen wollte, seien es die nächtlichen Bilder, die das Verlangen wach hielten und ihn von der Hinwendung allein zum Herrn ablenkten.
    Wie der, der nach dem Wort des Herrn den Splitter im Auge des Bruders bemerkte, aber den Balken im eigenen nicht sehen wollte, hatte er sich hinaufgeschwungen und die Sünden der anderen angeprangert. Als ob nicht der Herr allein der Richter ist! Um wie viel schlechter und schändlicher war er selbst gegenüber den Brüdern und Schwestern des freien Geistes, den Beginen und dem Prediger Eckhart! Warum war er abgewichen vom gottgefälligen Pfad, den er doch damals schon betreten hatte, als er Ellikint und Mentha rettete? Hanß konnte es sich nicht erklären. Aber indem er darauf brannte, sein Unrecht wieder gutzumachen, vergaß er seine Schmerzen und die Kälte. Mit neuem Mute schritt er hurtig aus.
    »Der Herr zeigt dir«, keuchte Bruder Dudo, der jetzt kaum noch mithalten konnte, »dass du der rechten Fährte folgst, indem er dir Kraft gibt.«
    Gleichwohl schafften sie es nicht bis nach St. Goar, sondern baten bei Oberwesel an der Mündung des Niederbachs in den Rhein bei den Prämonstratenserinnen um Unterkunft und einen Bissen zum Essen.
     
    *
     
    Köln, Beginenkonvent der Bela Crieg,
    am Abend des 8.2.1327
     
    Schwester Beatrix war zu Sek in die winzige Stube getreten, die der Magistra zustand. Sek machte sich Gedanken um Schwester Demudis. Weil Schwester Guta gemeuchelt worden war, konnte es eine gefährliche Angelegenheit werden, Nachforschungen anzustellen. War es richtig gewesen, dass sie Schwester Demudis damit beauftragt hatte? Dazu noch allein! Besser wäre es vielleicht gewesen, ihr noch eine Schwester an die Seite zu geben. Aber wer hätte dann die Alten und Kranken versorgt? Die Stimmung war gedrückt nach Schwester Gutas Tod. Sie hatte den anderen nichts von den Ergebnissen der bisherigen Nachforschungen mitgeteilt, die Demudis ihr berichtet hatte. Sie waren erschreckend und verwirrend. Es war nicht gut, die Schwestern in weitere Qualen zu stürzen, bevor feststand, wer den Mord begangen hatte und was Schwester Guta für ein Leben geführt hatte. War die Geheimhaltung richtig? War sie nötig? In der Stadt brodelte es sowieso. Weitere Gerüchte hätten den Beginen mehr geschadet als genützt. Die Nachricht vom gewaltsamen Tod Schwester Gutas hatte einige Bürger mitleidig gestimmt. Andere allerdings nannten es die gerechte Gottesstrafe für ein sündiges Leben. Die Anklage gegen Hechard wegen Ketzerei vor dem Gericht der Inquisition stand bevor, und nicht alle Bürger glaubten an die Lauterkeit des Meisters.
    Sela seufzte. Und dann noch der Ärger, den dieser Alte machte, dem Schwester Jutta zur Hand ging. Er hatte sich beschwert, sie habe ihn geschlagen. Sela konnte es sich kaum vorstellen, dass die grundgütige Schwester Jutta etwas Derartiges tat. Aber vielleicht verstellte sie sich bloß? Musste sie die Schwestern stets zu zweit zu den Alten gehen

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