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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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nichts.
    Schwester Beatrix strahlte sie siegesgewiss an. »Was sagst du dazu?«
    »Salomo hat keinen Reichtum«, lenkte Sela vorsichtig ab.
    »Schwester Demudis hat mich darauf gebracht.« Schwester Beatrix hatte sich genau auf diese Frage vorbereitet und nun das ersehnte Stichwort bekommen. »Er hat diese Schneiderwerkstatt. Sie ist verwaist, keiner seiner Söhne und Schwiegersöhne hat sie übernommen. Warum können wir nicht tun, wozu wir Hände haben? Schwester Angela etwa …«

 
Von der Vergeltung der Gnade
     
    Die schweigende Minne genießt ohne Mühseligkeit.
    Mechthild von Magdeburg
     
    Andernach, am Mittag des 9.2.1327
     
    Die Nacht hatte Demudis kurz vor Burg Rheineck in einem kalten Heuspeicher zubringen dürfen, aber nichts zur Speise bekommen. Hungrig setzte sie am Morgen ihren Weg durch die Eiswüste fort, die das Rheintal bot. Die Anstrengung zehrte ihre Kräfte auf. Als sie gegen Mittag Andernach erreichte, wünschte sie sich, dass die Barfüßer ihr neben ein paar Auskünften auch etwas zum Essen geben würden.
    Das Barfüßerkloster war nicht schwer zu finden. Es lag östlich am Weg am Rand des Ortes. Die riesige, allerdings noch nicht ganz fertig gestellte Kirche mit den kostbaren Maßwerkfenstern und dem steilen Schieferdach zeugte von dem Wohlergehen der Barfüßer.
    Demudis klopfte an die Pforte und sagte: »Schwester Demudis aus Köln heißt man mich, Bruder. Unser Konvent ist der der Be-la Crieg in der Stolkgasse bei den Predigern.«
    »Was ist dein Begehr, Schwester?«, fragte der Torwächter freundlich. »Du machst einen angestrengten Eindruck. Bist du am heutigen Tage den ganzen Weg von Köln gekommen?«
    »Nein«, antwortete Demudis. »Ich habe nahe Burg Rheineck genächtigt, aber nichts bekommen, was Leib und Seele zusammenhält.«
    »Tritt ein«, sagte der Bruder und holte sie in das geräumige Torhaus, in welchem es deutlich wärmer war als draußen. Demudis schlug sich den Schnee vom Kleid und rieb sich dann die Hände. »Es muss schon einige Winter her sein, dass eine unserer Schwestern, Schwester Guta nämlich, des Öfteren hier zu euch gekommen ist, um … um, wie ich annehme, zu beichten. Sie ist entlaufen oder jedenfalls vermissen wir sie, und ich suche nach ihr. Vielleicht ist sie hier?«
    »Wir beherbergen niemanden im Augenblick«, sagte der Bruder, und Demudis kam es so vor, als habe sich seine Haltung ein ganz kleines bisschen verändert, als sei er vorsichtiger geworden. Sie wollte auch nicht kundtun, dass Schwester Guta ermordet worden war, damit der Schreck darüber nicht den Mund der Mönche versiegelte.
    »Darf ich mit einem Bruder sprechen, der sich an sie erinnert?«, fragte Demudis. »Unsere Magistra macht sich große Sorgen. Ich hoffe, Hinweise zu bekommen, wohin sie sich gewendet haben könnte.«
    »Komm«, sagte der Bruder kurz und führte sie über den Hof zum Gästehaus.
    »Du kannst dich nicht an sie erinnern?«, fragte Demudis.
    »O doch«, gestand der Bruder zu. »Sie ist lange nicht zu Besuch gewesen.«
    Er hatte es so abschließend gesagt, dass Demudis ihn nicht weiter befragte, obwohl sie ein hämisches Grinsen über sein Gesicht huschen sah, das sie sich nicht zu erklären vermochte.
    In einer kleinen, leidlich warmen Stube wartete Demudis, wie es ihr vorkam, ziemlich lange, bis ein Barfüßer erschien. Er hatte einen Laib Brot in der einen und einen Krug Wein in der anderen Hand.
    »Bruder Paul bin ich«, stellte er sich vor. »Meines Zeichens Abt. Bruder Gerhard vom Tor hat mir gesagt, du seist hungrig.«
    »Danke«, sagte Demudis und begann zu essen, bevor sich der Abt noch gesetzt hatte. Nach den ersten Bissen hielt sie inne. Paul? Schwester Guta war nach Andernach zu den Barfüßern gegangen, und deren Abt hieß Paul. War das der Paul, dem sie auch eine Wahrheit sagen sollte? Welche? Demudis wusste, dass sie nun sehr umsichtig vorgehen musste, wenn sie etwas erfahren wollte. Sie fühlte den Blick des Abtes auf sich lasten, konnte noch nicht entscheiden, ob er gnädig oder ungnädig war. Dass er ihr Essen gebracht hatte, war überaus freundlich und ließ nur Gutes vermuten, aber dennoch war sich Demudis nicht sicher. Nach dem sie den ersten Hunger und Durst gelöscht hatte, nahm sie den Abt in Augenschein. Er hatte ein rundes Gesicht und machte einen sehr zuvorkommenden Eindruck, doch gleichzeitig spürte sie eine Anspannung an ihm. Oder bildete sie es sich nur ein, weil sie ihn für jemanden hielt, den Schwester Guta unmittelbar vor ihrer

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