Demudis
ich dir eben mitzuteilen versuchte, wieder hinter ihn gestellt. Wir werden behandelt wie die Leprosen.«
»Umso strahlender wird unser Sieg ausfallen. Ich verspreche es dir. Du musst nur noch ein paar Tage Geduld haben, bis … bis …« Bruder Hermann brach ab. »Bis sich alles regelt, wie ich es in die Wege geleitet habe«, setzte er schließlich nach.
Warum vertraut er mir nicht?, dachte Wilhelm betrübt. »Kannst du mir denn nichts preisgeben, selbst wenn wir es noch nicht verkünden, damit ich ruhiger zu schlafen vermag?«
»Nein.«
Wilhelm geriet außer sich. Er wuchs über sich hinaus und wagte sogar, Bruder Hermann an den Schultern zu packen und zu schütteln.
»Komm zu dir, Bruder Wilhelm«, sagte Bruder Hermann so ruhig es während des Schütteins ging. »Sie sind so einfältig, die Brüder. Ich muss so handeln, wie ich es tue, das ist dir doch klar, oder?«
Wilhelm ließ ab von ihm, und der Mut verließ ihn sogleich. »Du wirst schon Recht haben, Bruder Hermann. Aber ist es denn auch wahr, was du mir gesagt hast, nämlich dass Meister Eckhart sie, jene Begine, von der die ganze Zeit die Rede geht, hat ermorden lassen? Nicht dass ich zweifle. Aber eine andere Begine hat mich ganz schön in die Zange genommen deswegen. Man wird Beweise verlangen.«
»Nun hör mal«, ereiferte sich Bruder Hermann, »hast du mich jemals was falsch anpacken gesehen? Es wäre doch Wahnsinn, wenn die Anklage auf tönernen Füßen stünde! Komm, ich erzähle dir etwas, das ist so unsäglich, wie du es dir nicht vorstellen kannst, aber es entspricht der Wahrheit.«
Sie zogen einige Runden durch den Kreuzgang, ohne dass Bruder Hermann etwas sagte. Schließlich stöhnte er auf und begann:
»Es war einen Tag nach Maria Lichtmess, der Tag, nach dem ich die erste deiner hervorragenden Predigten gehalten habe, die du dankenswerterweise für mich schriebst. Nun, die Wirkung gibt dir und mir Recht, bestätigt das Anliegen des ehrwürdigen Vaters und Herrn Erzbischofs Heinrich. Alles dein Verdienst.« Bruder Hermann klopfte Wilhelm ermutigend auf die Schulter. Wilhelm fühlte sich sehr geehrt. Bruder Hermann sprach nicht weiter, sondern schien es sich anders überlegt zu haben. »Nur so viel kann ich dir jetzt schon offenbaren, nämlich dass ich vornehmer Herkunft bin –«
»Wie das?« Wilhelm verstand nicht den Zusammenhang, aber er hatte sich daran gewöhnt, dass Bruder Hermann sprunghaft dachte. »Das will mir nicht in den Schädel«, rief er dann und packte sich mit den Händen an die Schläfen.
»Mir ging es nicht anders, als ich es hörte –«, begann Bruder Hermann fröhlich.
»Wann?«, fragte Wilhelm aufgeregt dazwischen.
Bruder Hermann sprach jedoch unbeirrt weiter: »– doch so einfach kann man mir nichts vormachen. Also habe ich in den Tagen, wo ich weg war –«
»Wo du mich allein gelassen hast!« Wilhelm dachte mit Schaudern daran.
»Komm, du bist ein großer Junge. Also … ich habe ihn aufgesucht und mit ihm selbst gesprochen. Er wird nach Köln kommen und meine hohe Abstammung beglaubigen und den Mörder, der im Auftrage von Meister Eckhart gehandelt hat, der Gerechtigkeit zuführen. Was sagst du dazu?«
»Der Herr hat dir große Gnade erwiesen«, sagte Wilhelm ergriffen. Er brauchte einen Augenblick, um festzustellen, dass der Bericht von Bruder Hermann durchaus lückenhaft war. »Wie hast du es erfahren? Deine Herkunft? Vor allem aber: Wer nun ist dein Vater? Und wer der Mörder? Du hast doch gesagt, der Bauer war es! Es will alles keinen rechten Sinn ergeben in meinem Geiste.«
»In deinem Geiste!«, rief Bruder Hermann und lachte. »Das ist mir klar. Warte ab, und du wirst erkennen, wie alles zusammenhängt.«
»Weshalb hast du es der Magistra der Beginen nicht berichtet? Sie hat ein Anrecht darauf, es zu erfahren!« Wilhelm versuchte, so viel Vorwurf in seine Frage zu legen, wie es ihm möglich war.
»Sie würde es nicht als Wahrheit anerkennen. So wenig wie du es tust«, beschied ihn Bruder Hermann mürrisch.
Wilhelm kostete die bittere Zerknirschung des Herzens, denn er erkannte, dass ihm Bruder Hermann nicht alles offenbaren wollte. Und dies konnte ja wohl nichts anderes heißen, als dass Bruder Hermann ihm nicht sein volles Vertrauen schenkte. Was habe ich nur falsch gemacht?, fragte sich Wilhelm. Wodurch habe ich ihm Veranlassung gegeben, einen Vorbehalt wider mich zu hegen? Habe ich ihm nicht treu genug gedient? Ich zweifele an seinen Worten, an seiner Lauterkeit. Und dies ist die Strafe
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