Demudis
entschuldigen.«
»Ich danke Euch im Namen aller meiner Schwestern«, sagte Demudis steif und griff nach dem Beutel. »Aber wollt Ihr nicht, dass der feige Meuchler von Schwester Guta gefasst wird? Das ist es, was Ihr für sie noch tun könnt, nämlich mir bei meinen Nachforschungen weiterzuhelfen.«
Abt Paul schwieg. Wie es Demudis schien, rang er mit sich, und so wollte sie seine Entscheidung, sein Wissen preiszugeben, unterstützen:
»Das Letzte, was sie vor ihrem Tod zu mir sagte, war, dass sie einigen Leuten eine Wahrheit sagen wollte. Leider konnte ich nicht alle Namen verstehen, weil sie sehr erregt war. Aber Euren Namen habe ich deutlich vernommen. Ich vermute sehr stark, dass es einen Zusammenhang mit der Mordtat gibt. Und wenn sie Euch zum Schweigen über das, was Ihr wisst, verpflichtet hat, so nehmt es doch als Entbindung von der Pflicht an, dass sie kundtat, die Wahrheit ans Licht bringen zu wollen.«
Abt Paul sah Demudis nun fest in die Augen. »Schwester«, sagte er, »nicht bloß Gutas wegen schweige ich. Es ist eine Macht, die furchtbarer ist, und er lebt noch. Sieh auch du dich vor.«
Demudis schauderte, aber gab nicht auf: »Soviel ich herausgefunden habe, hatte Schwester Guta einen Sohn, Martin mit Namen, der bei Bauern in Katzenelnbogen aufgewachsen ist. Der Vater soll der Herr Adolf von Riehl gewesen sein, jüngst verstorben. Der Graf von Katzenelnbogen hat veranlasst, dass Martin das Erbe des kinderlosen Herrn Adolf hatte antreten sollen, wobei ich nicht letzte Gewissheit habe, ob dieser der Vater ist oder nicht …«
Weiter kam Demudis nicht. Der Abt wandte sich ab und murmelte: »Das ertrage ich nicht. Lebt wohl.«
Abt Paul verließ die Krankenstube, und Demudis blieb unschlüssig zurück.
»Du solltest jetzt von dannen ziehen«, sagte der Physikus nach einer Weile.
Demudis sah ein, dass sie keine andere Wahl hatte und darauf hoffen musste, bei Schwester Mathilde in Koblenz mehr in Erfahrung zu bringen. Das Gehen würde, wie der Physikus ihr gesagt hatte, mit dem Verband beschwerlicher sein, aber der Fuß würde nicht weiter schmerzen und nicht schwellen. Und so verhielt es sich auch.
*
Koblenz, gegen Abend des 10.2.1327
Erst zur Neige des Tages traf Demudis in Koblenz ein, abgekämpft, hungrig und müde. Demudis erinnerte sich, dass Schwester Guta erwähnt hatte, der Beginenkonvent, dem Schwester Mathilde angehörte, befände sich bei den dortigen Predigern in der nämlichen Gasse. In Koblenz schienen die Beginen in gutem Ansehen zu stehen, denn jedes Weib und jeder Mann, den sie ansprach, um nach dem Weg zu fragen, machte bereitwillig und höflich Mitteilung.
Auch im Konvent hieß man sie ohne viel Aufhebens, aber mit vielerlei Küssen herzlich willkommen. Aber als sie in die Stube trat, von der ihr bedeutet wurde, dass Schwester Mathilde sich dort befände, stieß sie unversehens auf einen Kölner Barfüßer, den sie flüchtig als Abt Hanß kannte.
»Ihr hier?« Es war eine wenig ehrerbietige Begrüßung, eher wie ein Vorwurf denn wie eine Frage gesprochen, voll von Argwohn, weil sie nicht wollte, dass ein Kölner Barfüßer die Unterredung mit Schwester Mathilde mithörte, besonders da auch das Gespräch mit dem Barfüßerabt in Andernach so unerfreulich verlaufen war. Sie wusste nicht, auf welche Seite sich die Barfüßer in Köln schlagen würden. Schließlich unterstützte Bruder Dirolf die Anklage gegen Hechard. Allerdings war auch ein Prediger dabei, und die hatte sie eigentlich zu den Freunden gezählt. Wem konnte sie überhaupt noch trauen? Sie musste auf der Hut sein.
Der Abt legte ihr beruhigend seine Hand auf den Arm und führte einen Finger der anderen zu seinen Lippen.
Nun gewahrte Demudis im Inneren der Stube eine Begine im sandfarbenen Kleid sowie einen Prediger. Sie saßen an einem Tisch, auf dem eine Kerze stand sowie Pergamente und ein Tintenfässchen. Der Prediger hielt eine Feder.
Als die Begine zu sprechen anfing, schrieb der Prediger. Demudis sah, dass schon einige Blätter voller flüchtig hingeworfener Buchstaben waren. »… dass dies das Buch der sinkenden Minne ist, die mich zur glücklichen Wende der Gottentfremdung geführt hat. Da sprach die Braut: ›Mein Lieber ist mir in meinem Schlafe entgangen, da ich in innigster Vereinigung mit ihm ruhte.‹ Und da sprach die unwürdige Seele zum himmlischen Bräutigam: ›Ach, mein lieber Herr, erhöhe mich nicht zu sehr. Es ist mir viel zu gut im niedrigsten Teil, dort will ich dir zu
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