Den ersten Stein
aber ihr hochgerecktes Kinn sagte mir, dass das nicht alles war. Ich
wusste nicht, was sie mit Bruder Isaiah zu tun hatte, aber ich nahm an, dass jemand, der einen solchen Mann verehrte, ein
ausgeprägtes Rechtsgefühl besaß. »Wenn Sie in diesem Leben noch Gerechtigkeit für Bruder Isaiah sehen wollen, brauchen Sie
meine Hilfe.«
Sie wägte ihre Optionen ab und kam zurück. »Bevor ich Ihnen irgendetwas erzähle, muss ich genau wissen, was für ein Verhältnis
Sie zu White haben.«
»Ich bin Privatdetektiv«, sagte ich. »White hat mich engagiert, um diesen Fall zu lösen. Er ist überzeugt, dass seine eigenen
Leute überwacht werden, und sollte mit diesem Fall etwas schieflaufen, möchte er wahrscheinlich seine Hände in Unschuld waschen.«
»Und Sie machen das fürs Geld?«
»Nicht nur deswegen«, antwortete ich. »Das Gesicht diesesPseudosheriffs, wenn ich ihm den Mörder präsentiere, wird die Mühe wert sein. Tut mir leid, meine Motive sind nicht gerade
edel.«
»Sie sind gut genug«, sagte sie. Sie griff wieder nach meinem Arm, und wir spazierten weiter. »Wie haben Sie mich gefunden?«
»White hat den toten Briefkasten entdeckt, wie, hat er mir nicht gesagt. Ich habe ihn überwacht und darauf gewartet, dass
jemand Interesse zeigt. Soviel ich weiß, wissen die Rollers nichts von Ihnen.«
Sie nickte bei meinen Worten, schien mich aber nicht zu hören.
»Sie sind eine Spionin des
Kreuzzugs
.«
»Wir nennen uns Zeugen.«
»Ich habe gehört, dass Sie mehr tun, als nur zu beobachten.«
»Wir finden die im Herzen der Menschen verborgene Sünde; wir schaffen sie nicht«, erwiderte sie überraschend kraftvoll.
Wir machten beim Cat Rock kehrt und gingen in Richtung Dairy weiter. Ich wechselte das Thema und suchte einen neuen Zugang.
»Sie haben mit Bruder Isaiah über diesen Laternenpfahl kommuniziert?«
»Sein Fahrer ließ Listen mit Zielobjekten zurück und ich tauschte sie immer gegen meine Berichte aus. Als der Laternenpfahl
heute Morgen leer war, wusste ich Bescheid. Ich habe nach einer Notplan- E-Mail geschaut und die Notfallnummer angerufen, die er mir gegeben hatte, nur um etwas zu tun zu haben.«
Ich erwartete, dass sie wieder anfangen würde zu weinen, aber diesmal geschah nichts.
»Bruder Isaiah und sein Fahrer waren die Einzigen, die über Sie Bescheid wussten?«
Sie nickte. »Wie ist Bruder Isaiah gestorben?«, fragte sie.
Ich erzählte ihr, was ich im Bingham gesehen hatte. Sie zeigte an den richtigen Stellen Trauer oder Zorn. Als ich zu der Sache
mit der Erde und den Kiefernnadeln kam, hoffte ich, dass sie etwas dazu zu sagen hätte oder wenigstens auf eine Weise reagieren
würde, die für mich aufschlussreich wäre, aber sie wirkte genauso verblüfft wie ich. Als ich ausgeredet hatte, schwieg sie
lange, so lange, dass ich allmählich begann, meine neue Ehrlichkeitsstrategie anzuzweifeln.
Sie sprach erst wieder, als wir uns auf dem Literary Walk befanden. Es war immer eine gewisse Erleichterung für mich, wenn
ich sah, dass die Shakespeare-Statue noch da war; wahrscheinlich würde sich schon bald ein Pfarrer der Erweckungsbewegung
die Zeit nehmen, eines seiner Stücke zu lesen, und eine Petition in Gang setzen.
»Mein Job war es, Nachtclubs aufzusuchen, die von wohlhabenden Oberschichtangehörigen zwischen achtzehn und fünfunddreißig
Jahren besucht wurden«, erzählte sie. »Ich achtete auf alle Übertretungen von Alkohol- und Anstandsregeln.«
Ich versuchte, mir vorzustellen, wie sie in schicken Nachtlokalen ein Lineal zwischen tanzende Paare hielt. Das Bild blieb
nicht haften.
»Es gibt einen Privatclub in Red Hook, zu dem ich wochenlang versucht hatte, Zutritt zu bekommen. Vor ungefähr einer Woche
habe ich in einem anderen Club einen betrunkenen Musikproduzenten kennengelernt, der im Red-Hook-Nachtclub Mitglied ist. Er
hat dafür gesorgt, dass man mich einließ, und dort habe ich dann Marcus Thorpe Junior kennengelernt.«
Ich stieß einen leisen Pfiff aus.
»Sie wissen, wer das ist?«
»Ich kenne den Ruf seines Vaters«, sagte ich. Marcus Thorpe hatte Thorpe Industries gegründet, um den Überblicküber die verschiedenen Regierungstöpfe zu behalten, in denen er die Finger hatte. Er besaß oder kontrollierte verschiedene
Unternehmen, die schusssichere Kleidung und Waffen herstellten, für die Verproviantierung der Truppen sorgten und die Kasernen
bauten, in denen die Soldaten schliefen. Ein Soldat konnte noch nicht mal aufs Klo gehen,
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