Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
Vom Netzwerk:
vorbei«, sagte sie und warf den Abfall weg.
    Wir winkten einem Taxi, und Iris gab dem Fahrer eine Adresse in Red Hook an, die ich kannte. Ich hätte gerne gewusst, warum
     wir ausgerechnet dorthin gingen, hielt aber den Mund. Es war bekannt, dass Taxifahrer, Postboten und sogar Lieferantenjungen
     sich ein paar zusätzliche Dollar verdienen konnten, indem sie die Augen für die Behörden offen hielten. Die unsichtbare Hand,
     die das Land still und leise erwürgte, sorgte dafür, dass viele sich dazu bereitfanden. Angeblich war das noch so eine Anti-Terrorismus-Initiative,
     aber kein Mensch wusste, was mit diesen Informationen geschah, wenn sie einmal im System verschwunden waren.
    Als wir in den Battery Tunnel fuhren, begegnete mein Blick dem des Taxifahrers im Rückspiegel. Er war ein Osteuropäer und
     nach dem über dem Armaturenbrett baumelnden Heiligen zu schließen ein Katholik. Die Regierung hatte in einer aggressiven Kampagne
     osteuropäische Einwanderer angeworben, zum Teil, um die Inder und Sri Lanker zu ersetzen, die inzwischen ausblieben. Die Leute
     waren nicht immer höflich genug, sich nach jemandes Religion zu erkundigen, bevor sie vor ihm Angst bekamen. Wir machten keinen
     Small Talk und seine Augen kehrten zur Straße zurück, als wir wieder in die Nacht hineinfuhren.
    Wir bogen vom Gowanus Expressway ab und fuhren Richtung Hafen. Durch die Seitenstraßen erhaschte ich Blicke auf die Ladekräne
     am Hafen, die dort hoch und einsam aufragten, noch immer von Licht umhüllt. Red Hook war das Viertel, das immer kurz vor dem
     Durchbruch stand und es nie ganz schaffte. Nachdem es einmal der Anlaufhafen für beinahe alles gewesen war, was nach New York
     kam, hatte es im vergangenen Jahrhundert den Abstieg zu einer Ansammlung leerer Lagerhäuser und heruntergekommener Straßen
     durchgemacht. Der Brooklyner Kreuzfahrtterminal hätte das beinahegeändert, bis Houston den Zustrom der Touristen und ihrer Dollar abwürgte.
    Stattdessen kam nun eine kleine Schar von Supercoolen, die das heruntergekommene Quartier pittoresk fanden. Sie brachten nicht
     so viel ein wie Kreuzfahrtpassagiere, doch es reichte, um eine kleine Underground-Club-Szene zu erhalten. Die Hauptattraktion
     war der Glaube, dass sie in einer so düsteren und abgelegenen Lage von Ordnungshütern und Vorstädtern gleichermaßen unbelästigt
     bleiben würden. Ich war nie trendbewusst genug, um herauszufinden, ob das stimmte.
    Wir fuhren in das Labyrinth der Lagerhäuser beim Hafenbecken. Als das Taxi hielt, griff ich in meine Brieftasche, doch Iris
     war schneller.
    »Vergessen Sie es«, sagte sie. »Ich bin mir sicher, mein Spesenkonto ist großzügiger bemessen als Ihres.«
    Wir standen in einer Seitenstraße beinahe am Rand der Halbinsel, weniger als hundert Schritte vom East River entfernt. Es
     wäre leicht gewesen, die Freiheitsstatue zu sehen – von unten beleuchtet und das Gesicht abgewandt   –, hätten nicht all die schimmligen Lagerhäuser dazwischen gestanden.
    »Kommen Sie«, sagte sie, als ich mich nicht rührte. »Poli zeiliche Stadtviertelarbeit hin oder her, ich glaube nicht, dass das hier der richtige Ort zum Herumstehen ist.«
    »Vielleicht sollten wir getrennt da reingehen«, erwiderte ich. »Wenn ich noch einmal ein Gin-Bad nehme, dann sollte es schon
     zu Wohltätigkeitszwecken sein.«
    »Ich bin hier, um über Spieler und die Wucherer zu berichten, die ihnen auflauern«, sagte sie. »Ich verspreche Ihnen, dass
     ich diesmal keine Szene mache.«
    »Sie hatten Recht mit Ihrer Bemerkung, keiner würde uns glauben, dass wir ein Paar sind«, meinte ich. »Um unserer Deckung
     willen sollten wir eine professionelle Beziehung vorgeben.«
    Iris missverstand mich, aber sie reagierte auf eine Weise, die ich nicht erwartet hatte. Die meisten Frauen waren entrüstet
     und indigniert, wenn jemand andeutete, ihre Gesellschaft könnte käuflich sein. Ihre Nasenflügel blähten sich in gerechter
     Empörung und eine theatralische Einlage war garantiert, wenn die Frau nicht sofort besänftigt wurde. Die Variante bei Frauen,
     die des Ehebruchs beschuldigt wurden, hatte ich oft genug gesehen, um die Zeichen zu erkennen.
    Ein sonderbarer, müder Zorn trat in Iris’ Augen, Bitterkeit sammelte sich um ihren linken Mundwinkel und zog ihn nach unten.
     Sie ereiferte sich nicht und schrie mich nicht an, und als sie sprach, war ihre Stimme eisig. »Wie Sie selbst gesagt haben,
     in diesem Anzug könnten Sie sich mich nicht

Weitere Kostenlose Bücher