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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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leisten.«
    »Ich wollte damit sagen, dass ich als Ihr Leibwächter auftreten könnte.«
    Iris war nicht überzeugt, beruhigte sich aber. »Man kennt mich hier. Ich hatte noch nie einen Leibwächter.«
    »Sie spielen ein reiches, verwöhntes Partygirl, oder?«
    Iris nickte.
    »Dann sagen Sie, dass der Befehl von Daddy kommt. Kidnapping ist zu einem lukrativen Geschäft geworden.«
    Iris dachte darüber nach und willigte mit einem Schulterzucken ein.
    Ein paar Schritte unterhalb des Straßenniveaus war eine nicht weiter gekennzeichnete Stahltür in ein Lagerhaus eingelassen,
     das so aussah, als würde es beim nächsten Sturm einstürzen. »Möglicherweise werde ich hier erkannt«, sagte ich.
    »Ist das schlimm?«
    Nun war ich mit Schulterzucken an der Reihe. »Das hängt davon ab.«
    Auf Iris’ Klopfen öffnete sich die Tür einen Spalt weit. Ein Augenpaar spähte misstrauisch hinaus, bis es Iris erblickteund aufleuchtete. Die Tür öffnete sich und der Mann dahinter schloss Iris in die Arme.
    Bär verdankte seinen Namen seiner Größe und dem beklagenswerten Niveau des Unterwelt-Vokabulars. Er war ein eins zweiundneunzig
     großer Kenianer mit der Muskulatur eines Gewichthebers und der Haut eines neugeborenen Babys. Er trug einen maßgeschneiderten
     schwarzen Zweireiher mit einem dazu passenden Fedora. Liebenswürdig und ansehnlich zu sein gehörte zu seinem Job als die erste
     Person, die der Kunde zu sehen bekam. Bär war der höflichste Rausschmeißer, den man sich denken konnte, solange man kein Theater
     machte.
    »Wie geht’s dir, Mädel?«, fragte er, als er Iris losließ.
    »Du weißt ja, dass ich immer in Schwierigkeiten gerate. Deswegen ist der da hier«, sagte sie und rollte die Augen in meine
     Richtung.
    »Lange nicht gesehen, Felix«, sagte Bär.
    Ich begrüßte ihn und stellte mich seinem Händedruck.
    »Ihr beide kennt euch?«
    »Wir sind zur selben Konfessionsschule gegangen.«
    Iris blickte von Bär zu mir und begriff, dass wir vor ihr kein einziges Wort mehr sagen würden. Sie nahm meinen Hut. »Ich
     gebe unsere Sachen ab, während ihr Jungs euch auf den neuesten Stand bringt.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du hierher zurückkommst«, meinte Bär, nachdem sie weg war.
    »Da sind wir schon zwei«, antwortete ich. »Denkst du, er ist immer noch wütend?«
    Bär zuckte die Schultern. »Ich habe deinen Namen schon eine ganze Weile nicht mehr gehört. Das ist ein gutes Zeichen, aber
     du weißt ja, wie er ist.« Ja, das wusste ich. »Ich muss ihm sagen, dass du hier bist.«
    »Weiß ich. Es ist schön, dich zu sehen, Bär.«
    Er verpasste mir einen freundlichen Boxhieb gegen die Schulter, der mich umgeworfen hätte, wäre ich nicht darauf vorbereitet
     gewesen. »Pass auf dich auf«, sagte er und ging auf seinen Posten an der Tür zurück.
    Iris war schon drinnen, aber ich musste noch meine Waffen wegschließen lassen. Ich reichte sie einem gelangweilten, mageren
     Jungen, der an einem Schultag eigentlich so spät am Abend nicht mehr unterwegs sein sollte. In den meisten Nachtclubs und
     öffentlichen Gebäuden wurde man inzwischen auf Waffen überprüft, seit die bundesweit gültigen Faustfeuerwaffengesetze erlassen
     worden waren. Nun konnte jeder über Achtzehnjährige, der keine Vorstrafe hatte, Pistolen oder Revolver tragen, wenn er versprach,
     nett zu sein. Damit war eines der wenigen Vorrechte des Privatdetektivs zum Teufel gegangen.
    So wie eine Schildkröte in ihrem Panzer steckt, war das Waterfront als Glaskonstruktion in ein altes Lagerhaus hineingebaut
     worden. Das alte Gebäude war gerade so weit verstärkt worden, dass es nicht einsturzgefährdet war, und das Innere hatte man
     unberührt gelassen. Die Bar befand sich in einer Halle, die einmal als Hauptbe- und -entladebereich gedient hatte. Glaswände
     sorgten dafür, dass die Wärme drinnen blieb und das Ungeziefer, das sich hier eingenistet hatte, draußen. So befand man sich
     in einer aufregend düsteren Umgebung und hielt sie sich gleichzeitig vom Leib.
    Das Innere war eine filmreife Neuschöpfung einer illegalen Schenke der Prohibitionszeit. Barkeeper und Kellnerinnen waren
     streng à la Gangster und Gangsterbraut gekleidet. Alle Möbelstücke waren teuer so designt, dass sie aussahen, als wären sie
     aus Transportkisten gefertigt. Eine Big Band mit einer schwarzen Sängerin in einem trägerlosen Kleid spielte: »It Ain’t Necessarily
     So.« In der Überfülle des New Yorker Nachtlebens war dieses Lokal einzigartig,

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