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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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aber nicht dem ungewöhnlichenAmbiente war es zu verdanken, dass der Laden lief. Die fortdauernde Beliebtheit des Waterfront beruhte vielmehr auf dem, was
     im Untergeschoss vor sich ging.
    Iris machte die Runde bei den Mitarbeitern. Bis hinunter zum Hilfskellner sprach sie jeden mit Vornamen an, und sie kannte
     sogar die Namen der Ehefrauen und Kinder. Ich war gleichzeitig beeindruckt und verwirrt, denn trotz all ihres Wissens schien
     sie keine Ahnung zu haben, wem der Laden gehörte. Ich spielte meine Rolle des stummen Leibwächters, sah mich an den Tischen
     nach irgendeinem Anzeichen von Junior um und hielt ein Auge auf die von zwei Rausschmeißern bewachte schmiedeeiserne Wendeltreppe
     in der Ecke der Bar. Die VI P-Räume und Büros befanden sich oben, der Privatclub unten. Wenn es Ärger geben würde, dann von oben.
    Charlie, der Geschäftsführer, kam zu unserer Seite der Bar und ließ sich von einer Frau umarmen, die halb so alt war wie er
     selbst. Als er mich erblickte, erstarb der Klatsch, den er gerade hatte verbreiten wollen, auf seinen Lippen. Die Brille mit
     Goldrand, die er trug, konnte den Schreck in seinen Augen nicht verbergen.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, Charlie?«, fragte Iris.
    »Sicher«, murmelte er. »Wen suchen Sie noch mal?«
    »Junior. Hat ihn hier keiner gesehen?«
    »Er war schon eine ganze Weile nicht mehr da.« Charlie konnte die Augen nicht von mir lassen.
    »Er ist doch immer hier.«
    »Vielleicht ist er im Urlaub.«
    Die Art, wie Charlie Urlaub sagte, gab mir ein mulmiges Gefühl.
    Bevor Iris ihm eine weitere Frage stellen konnte, murmelte er eine Entschuldigung und verschwand.
    »Schön, dass die Leute sich mit Ihnen so wohl fühlen«, sagte Iris.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass man mich vielleicht erkennen würde.«
    »Mir ist nicht klar, ob Charlie Angst vor Ihnen hatte oder Angst vor dem, was Ihnen vielleicht zustoßen könnte.«
    Ich schaute zu den Privaträumen hinauf, deren einseitig durchsichtige Fenster meinen unerwünschten Blick fernhielten. »Falls
     ich Ihnen wieder im Weg bin   …«
    Iris wehrte den Rest des Satzes mit einer Handbewegung ab. Sie reichte mir einen der spendierten Drinks, die sich inzwischen
     um sie herum gesammelt hatten, und zeigte auf einen Tisch, den eine der Kellnerinnen frei hielt.
    »Sie sind ein beliebtes Mädchen«, sagte ich.
    Iris zuckte die nackten Schultern.
    »Sie werden diese großzügigen Männer doch nicht ins Unglück stürzen?« Ungefähr ein Dutzend Männer beobachteten mit hungrigen
     Augen jede ihrer Bewegungen. Die meisten trugen die typischen Designerklamotten reicher Söhnchen, die auf Rebellion machten.
     Sie sahen zwar harmlos aus, beäugten Iris aber so beharrlich und selbstbewusst, dass es mir auf die Nerven ging.
    »Ich sagte Ihnen doch, dass ich mich für Wucherer interessiere, und die geben sich zu erkennen.«
    Eine Stimme so hoch, dass sie am Rand des menschlichen Hörspektrums lag, rief Iris’ Namen. Sie gehörte einer spindeldürren
     Frau, etwa in Iris’ Alter, eine funkelnde Blondine mit grünen Augen, die vom Alkohol und den Jahren müßigen Lebens ganz glasig
     waren. Sie umarmte Iris, und die beiden wurden von den Begleiterinnen der Frau umringt. Sie alle waren leicht unterschiedliche
     Ausgaben der Blondine, lauter Modelle, die aus derselben Fabrik stammten, und jede zeigte mehr Bein als Verstand.
    »Wer ist das?«, fragte die Frau.
    »Mein Leibwächter.«
    »Er sieht gefährlich aus«, gurrte sie.
    Iris zerzauste mir das Haar. »Der ist der reinste Welpe«, sagte sie. »Ihr habt Marcus nicht irgendwo gesehen, oder?«
    »Schon seit einer Ewigkeit nicht mehr, Darling«, antwortete die Frau. »Aber ich sag dir, wen ich gesehen habe   …«
    Ich ließ sie weiterklatschen. Iris spielte mit, aber ich sah die Langweile, die sie zu verbergen suchte. Es war sonderbar,
     sie Seite an Seite mit der Art Mensch zu sehen, die sie zu sein vorgab. So gut Iris auch schauspielerte, ich begriff nicht,
     wie man ihr das abnehmen konnte. Die schnatternde Schar, die sie umgab, bestand aus Söldnerinnen auf zehn Zentimeter hohen
     Absätzen, die ohne jede Scham Jagd auf Männer machten, welche ihren Schwerpunkt in der Brieftasche und nicht im Kopf hatten.
     Das große Sündenbuch des
Kreuzzugs
hatte kein Wort für ihr Verhalten, weil es nicht Prostitution hieß, wenn ein Ring im Spiel war.
    »Haben Sie etwas Nützliches herausgefunden?«, fragte ich, als die schillernden jungen Dinger weitergezogen waren, um eine
    

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