Den ersten Stein
sich zu den Seilen zurück und ging in Deckung. Der Rote trat zu ihm und schlug auf ihn ein.
»Dein Junge sieht so aus, als steckte er in Schwierigkeiten«, sagte Iris.
»Scheint so.«
Keiner der Hiebe des Roten schaffte es an den Armen des Blauen vorbei. Jeder Hieb ließ die Seile, gegen die der Blaue lehnte,
erzittern. Nur dorthin ging die ganze Wut des Roten, durch den Blauen hindurch und weg. Die Glocke läutete. Der Rote setzte
sich heftig keuchend in seine Ecke. Der Blaue hatte blau geschlagene Arme, doch es schien ihn nicht zu stören.
Als die zweite Runde begann, eilte der Rote schon nicht mehr ganz so eifrig aus seiner Ecke. Der Blaue kam auf dieselbe Weise
heraus wie zuvor: leichtfüßig und flink. Der großeUnterschied bestand darin, dass er sich jetzt in der Offensive befand. Er ließ den Roten mit seinen mächtigen Armen ausholen,
tänzelte dann an ihnen vorbei und verpasste ihm eine Serie von Schlägen. Der Rote verfehlte ihn mit einem Haken. Blau trat
zur Seite und verpasste dem Roten seinerseits einen Schwinger. Die Menge spaltete sich; ein paar Leute wurden abtrünnig und
jubelten für den Underdog.
»Möglicherweise bleibt die wertvolle Lektion über die Übel des Wettens aus«, sagte ich.
»Die Sünde holt einen immer ein«, entgegnete Iris. »Auf die eine oder andere Weise.«
Wir ließen den Rest der Runde verstreichen. Der Blaue machte den Roten müde, indem er ihm Schläge versetzte und verschwand,
bevor der Rote mit seinen schwerfälligeren Fäusten ihm folgen konnte. Die Menge wusste nicht, was sie von der Sache halten
sollte. Illegales Boxen zog im Allgemeinen eine ganz bestimmte Art von Kämpfern an: große, dumme Schlägertypen, die so lange
aufeinander eindroschen, bis einer zu Boden ging. Die Zuschauer waren nicht daran gewöhnt, einen Wissenschaftler im Ring zu
sehen.
»Findet dieser blutige Sport hier jeden Abend statt?«, fragte Iris, als der dritte Gongschlag ertönte.
»Manchmal ist es auch Thaiboxen oder Ringen. Sie schaffen auch Hunde hier herein, Hähne oder sogar zwei Berglöwen, wenn man
den Gerüchten glaubt. Sie zeigen hier alles, was gewalttätig ist und Wettpotential hat.«
»Dieses Etablissement muss geschlossen werden«, sagte Iris. »Warum wollten Sie nicht, dass ich hierherkomme?«
»Ich sorge mich um den Kollateralschaden«, erklärte ich.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich um mich selbst kümmern kann.«
»Sie hatte ich gar nicht gemeint. Zu den Kredithaien gehen ja nicht nur die Sünder«, sagte ich. Die hohe Arbeitslosigkeitwar ein Himmelsgeschenk für das Wucherergewerbe gewesen. »Viele ganz normale Leute tauchen vor diesen Tischen auf, den Hut
in der Hand. Wenn jemand seinen Job verliert oder krank wird und sich die Medizin nicht leisten kann, endet er hier.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir nur hinter den Wucherern her sind.«
»Nach allem, was ich gelesen habe, unterscheidet der
Kreuzzug
nicht zwischen Angebot und Nachfrage.«
Der Junge in Blau machte seinem Gegner Beine. Jetzt, wo dessen Größenvorteil sich durch die Müdigkeit und die eingesteckten
Hiebe verflüchtigte, versuchte er auszuweichen, doch dafür reichte weder seine Beinarbeit noch seine Intelligenz.
»Ich bin vor ein paar Tagen die Akten des
Kreuzzugs
durchgegangen«, erzählte ich. »Da war eine Menge Schmerz verborgen. Wegen des
Kreuzzugs
hatten Menschen ihre Arbeit oder ihre Familie verloren. Ein Mann hat Bruder Isaiah vorgeworfen, er hätte ihn ins Heilige Land
geschickt.«
»Nun, da irrt sich Ihr Freund. Ich glaube nicht, dass Bruder Isaiah das Projekt Heiliges Land oder die Wiedererrichtung des
Tempels unterstützt hat. Auch wenn er nicht vorgetreten ist, um es öffentlich auszusprechen«, sagte Iris. »Er hat zwar für
die Truppen gebetet, aber nie jemanden aus seiner Gemeinde zum Dienst ermutigt.«
Das war ungewöhnlich. Priester der Erweckungsbewegung forderten diensttaugliche Mitglieder ihrer Herde mindestens ein paarmal
im Jahr auf, ins Heilige Land zu gehen. »Bruder Isaiah hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn ihm etwas falsch erschien.
Warum hat er in diesem Fall geschwiegen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Iris. Sie begriff, worauf ich hinauswollte, und wich aus. Bruder Isaiah brauchte die Unterstützungder Ältesten, um seine Arbeit zu tun, und die hätten es nicht geduldet, dass jemand ihren großen Plan öffentlich kritisierte.
Vielleicht hatte er ja doch einen gewissen Sinn für Politik
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