Den ersten Stein
Stich gelassen. Gott sei mein Zeuge, dass ich das nie wieder tun werde.«
Ich nahm den Kopfhörer ab, um dem betäubenden Applaus zu entgehen. Iris hatte gewollt, dass ich Bruder Isaiah verstand und
hörte, wie überzeugt und mitfühlend er war. Das war tatsächlich laut und deutlich rübergekommen. Aber ich fragte mich, ob
sie auch den Mann gehört hatte, der sich denTatsachen verweigerte und daran scheiterte, seine Vision der menschlichen Natur mit dem Leiden um ihn herum in Einklang zu
bringen. Statt sich seinen Zweifeln zu stellen, hatte Bruder Isaiah sich in Verzweiflung und seine Arbeit zurückgezogen, genau
wie die meisten Menschen. Houston war nicht die Gelegenheit zur Erneuerung, wie er behauptete; es war ein Vorwand, um zu vergessen.
Aber vielleicht war das für ihn auch dasselbe gewesen.
Ich schlief im Sessel, als Benny mich mit einem Tritt weckte und mir einen Bagel anbot. »Wo ist Pyke?«, fragte er.
»Er schläft im Schlafzimmer, an einen Heizkörper gekettet.« Ich nahm den Kaffee entgegen, den Benny mir reichte, und versuchte,
einen klaren Kopf zu bekommen. Der Schmerz kroch in meine Gelenke zurück. Ich versuchte, mich zu recken, und musste einen
Schrei unterdrücken. Benny beäugte das Fläschchen mit Schmerztabletten, das ich aus der Manteltasche holte.
»Nimmst du die Medikamente, die du nehmen sollst, Felix?«
»Ich nehme die Medikamente, die ich habe«, antwortete ich und spülte die Tabletten mit Kaffee herunter.
»Ich muss ins Büro«, sagte er.
»Dann haben sie dich gleich am Schlafittchen.«
»Nicht, wenn ich rechtzeitig dort eintreffe. Bis jemand mit einer Vorladung kommt, bin ich in einer Tiefgarage, wo es keinen
Empfang für Handysignale und GPS gibt. Willst du mit mir in die Stadt zurückfahren?«
Ich nickte.
»Dann zieh das hier an«, sagte er und reichte mir ein frisches Hemd. »Du siehst bei Tageslicht nicht besonders gut aus.«
Ich zog mich um, ohne in den Spiegel zu schauen. Ich wolltegar nicht wissen, wie Recht Benny hatte. »Ich möchte noch einen Versuch bei Pyke machen.«
»Spar dir das auf. Wir müssen jetzt los.«
Bennys übliche ungeduldige Art fühlte sich anders an. »Ist irgendetwas los?«
»Ich erzähle es dir im Wagen«, sagte er und warf mir meinen Hut zu.
»Was ist mit Pyke?«, fragte ich.
»Mein Vetter wird in ein paar Stunden nach ihm schauen.«
»Wird er Pykes Lage nicht für ein bisschen sonderbar halten?«
»Er war bei den Marines«, meinte Benny. »Er hat schon viel Schlimmeres gesehen.«
Benny wartete ab, bis wir im Tunnel steckten, bevor er mich auf den neuesten Stand brachte. »Ein Freund von mir, der für den
Bürgermeister arbeitet, hat mich heute Morgen angerufen. Hast du von den Gruppen der Erweckungsbewegung und von den Milizen
gehört, die in die Stadt kommen?«
»Gestern habe ich ein paar von ihnen dabei gesehen, wie sie im Washington Square Park Bücher verbrannten.«
»Tja, die Verrücktenbrigade hat heute Morgen Verstärkung bekommen, und die Leute werden unruhig. Sie haben die Thorpe Industries
und ein Dutzend andere Firmensitze umstellt. Der Bürgermeister hat alle Polizeispezialeinheiten angefordert, alle dienstfreien
Polizisten einbeordert, die noch in der Stadt waren, und auch die Polizeidienststellen des Bezirks um Hilfe gebeten. Er hat
versucht, den Gouverneur davon zu überzeugen, die Nationalgarde zu mobilisieren, aber der schmierige Drecksack rührt keinen
Finger.«
»Der Gouverneur ist sich noch nicht sicher, aus welcher Richtung der Wind weht, und will nicht das Risiko eingehen, zur falschen
Seite zu pinkeln«, meinte ich. »Was sagen die Ältesten?«
»Die Leute des Bürgermeisters haben ihre Fühler nach ihnen ausgestreckt, aber die Ältesten behaupten, die Sache hätte nichts
mit ihnen zu tun. ›Spontane Demonstrationen patriotischer, gottesfürchtiger Bürger‹, so nennen sie das und reden von der freien
Ausübung der Bürgerrechte.«
»Freie Ausübung der Bürgerrechte? Ganz schön dreist«, bemerkte ich. Natürlich zogen die Ältesten die Fäden. »Sie versuchen
Thorpe zu zwingen, diese Containerschiffe wieder in Bewegung zu setzen, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht.«
»Ich hatte sie für klüger gehalten«, meinte Benny, »doch dann habe ich auf dem Rückweg zu Pykes Versteck einen Kollegen angerufen.«
»Es kommt noch schlimmer?«
»Aus dem Justizministerium sind per Eilboten Dutzende von Zeugenhaftbefehlen eingetroffen. Die Betroffenen sind ein Who-is-who
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