Den Jakobsweg erfahren
Nacht und schleichen uns in den dunklen
Schlafsaal. Hier ist schon alles ruhig.
57,6 gefahrene km, gesamt 2322,4
km
4:11 gefahrene Zeit, gesamt 140:46
Std.
14,0 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit
14.05.2012
Montag
Tag 24
Astorga (E) – Ponferrada (E)
Die letzte Nacht war der Horror!
Obwohl alle Fenster hier unter dem Dach weit geöffnet sind, steht die Luft und
ich öle aus allen Poren. Über mir schnarcht jemand so heftig, dass ich selbst
mit Oropax fast wahnsinnig werde. Weil ich die wenigen, die trotz dessen
schlafen können, nicht aufwecken will, bleibt mir keine andere Wahl, als die,
mit den Händen leicht gegen die obere Matratze zu drücken. Das bringt zunächst
Erfolg. Es ist sofort leise. Dann geht es wieder los. Also presse ich wieder
die Finger durch das Gitterrost gegen die Matratze. Ruhe. Aber wieder leider
nur von kurzer Dauer.
Dieses Spielchen wiederholt sich
noch einige Male. Plötzlich und unvermittelt schlägt ein Kissen in mein Gesicht
und der über mir liegende Pilgerbruder beklagt sich heftigst und lautstark
darüber, dass ich ihn zu Unrecht nicht schlafen lasse. Ich verteidige mich, denn
er war es, da bin ich mir ganz sicher. Im Wiederholungsfall, werden mir Schläge
angedroht. Das kann ja lustig werden. Während dieser Auseinandersetzung sind
von den anderen Pilgern zum Teil Gemurmel, Gekicher und „shut up!“ Rufe zu
vernehmen.
Dann kehrt wieder Ruhe ein. Als
ich beinahe in den Schlaf komme, öffnet sich die Tür und eine weiße Gestalt mit
weißen Haaren und weißem Bart betritt wortlos den Schlafsaal. Sie geht wenige
Schritte weiter und bleibt neben meinem Bett aufrecht stehen. Ich atme flach.
Was ist das für ein Idiot, denke ich zwar, aber irgendwie ist mir etwas flau im
Magen. Jetzt könnte der von Oben das Kissen einsetzen, aber nichts passiert.
Nach schier endlos erscheinenden Minuten, dreht sich die Gestalt um und geht
wieder hinaus. Endlich.
Dann klingelt irgendwo ein Handy.
Nach einiger Zeit meldet sich das gleiche Gerät noch einmal und später erneut.
Es reicht allmählich. Ich rufe verärgert: „Put it off“. Was heißt noch einmal
auf Englisch, dass man etwas ausschalten soll? Keine Ahnung. Ich hab auch
keinen Bock, mir um diese Uhrzeit darüber meinen Kopf zu zermartern. Es kehrt
allmählich Ruhe im Schlafraum und auch in mir ein. Ist das hier heiß!
Noch lange über das gerade Erlebte
grübelnd schlafe ich irgendwann ein.
Als ich aufwache, scheint es, als
wenn es gar keine Nacht gegeben hätte. Oder eine, die eine Nachtschicht war.
Ich bin total fertig.
Die Fußpilger sind schon fast alle
auf. In der Ecke ist ein junges italienisches Pärchen, das auch mit dem Rad
unterwegs sind. Als sie zu uns rüber gucken, lachen sie sich kringelich. Sie
waren wohl Ohrenzeuge unserer nächtlicher Auseinandersetzung. Als Timo sich aus
seinem Schlafsack gepellt hat, fragt er mich, warum ich ihn nicht habe schlafen
lassen. Meine Erklärungsversuche, dass er geschnarcht hat, wie ein kanadischer
Holzfäller, werden von ihm abgewiegelt. Er konnte gar nicht schlafen meint er.
Die Italiener biegen sich vor Lachen. Dann kommt das Thema auf die weiße
Gestalt. Timo und Siggi haben sie auch gesehen. Timo hätte ihr am liebsten eins
drüber gegeben, aber aufgestanden und gemacht hat er es auch nicht. Ich denke
mal, die waren alle so „mutig“ wie ich. Die Italiener beteiligen sich auf
Englisch an dem Gespräch. Wir sind uns einig, dass es der Herbergsvater war.
Der Kölner. Der Lump.
Als wir nach dem Waschen mit
unserem Hab und Gut zu unseren Rädern gehen, kommt der Schuft uns entgegen. Wir
tun so, als wenn nichts gewesen wäre. Siggi sagt ihm, dass seine Nackenmassage
ein voller Erfolg war, obwohl er uns vorher genau das Gegenteil anvertraut hat.
Meinen Freund kann ich so einem Scharlatan gegenüber nicht in die Pfanne hauen.
Ich halte daher, auch wenn es schwer fällt, meine Klappe.
Draußen warten wir die Räder. Die
drei Spanier fahren direkt los. Die Italiener leihen sich von uns einen Lappen
und einen Klecks Öl. Sarah und Carlos sind ähnlich platt wie wir und haben noch
nicht so wirklich Lust zu reden. Sie sind auch schon früher fertig als wir und
fahren los. Die beiden wollen auch nach Ponferrada. Wir sehen uns. Ganz sicher.
Endlich sind auch wir so weit und
suchen im Ort den Weg. Nach anfänglichen Problemen finden wir die
Muschelsymbole und direkt danach ein Café, wo wir zum Frühstücken einkehren.
Die drei Spanier stärken sich hier ebenfalls. Mit einem
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