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Den Jakobsweg erfahren

Den Jakobsweg erfahren

Titel: Den Jakobsweg erfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Frömmert
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schwingen, kommt die Brasilianerin angefahren. Wir unterhalten uns
mit ihr. Sie fährt immer sehr früh morgens los und ist dann schon früh am
Nachmittag mit ihrem Tagesprogramm durch. Sie bittet mich, kurz ihr Rad zu halten.
Dann holt sie für jeden von uns ein buntes bedrucktes Band aus ihrer Radtasche
hervor. Wir befestigen es an unseren Rädern, bedanken uns höflich und
verabschieden uns. Sie wird hier bleiben und wir wollen noch weiter.
    Nun beginnt die kurvenreiche,
steile Abfahrt, auf der, so wird berichtet, sich schon sehr viel schwere
Radunfälle ereignet haben. Timo und ich lassen es uns aber nicht nehmen und
donnern mit fast 60 km/h die Straße herunter. Siggi fährt langsamer. Wir sehen
ihn nicht mehr. Zwischendurch warten wir einmal auf ihn und besprechen, dass
wir im nächsten Ort, Molinaseca, auf ihn warten werden. So schmiergeln wir die
Abfahrt weiter herunter. Einige entgegenkommende Autos machen mitunter
Probleme, weil sie die Kurven schneiden. An den Unfällen sind wohl nicht die
Radfahrer allein schuld. Timo und ich kommen unbeschadet in Molinaseca an. Wir
sind von der schnellen Fahrt mächtig beeindruckt. Tage später kommt auch Siggi.
Wir befahren eine Steinbrücke über den Rio Meruelo. In der Fußgängerzone gönnen
wir uns nun keinen Tinto, sondern ein Eis. Dann fahren wir weiter nach Ponferrada.
    In der Herberge S. Nicolas checken
wir ein, nachdem zwei Schicki-Micki-Pilgerinnen, die kurz vor der Unterkunft
einem Mietwagen entstiegen und hüpfend zur Albergue hopelten, mit dem
Einchecken endlich durch sind. Der Herbergsvater nimmt sich sehr viel Zeit mit
den beiden. Wir haben ja für vieles Verständnis, aber das ist des Guten bei
weitem zu viel. Als wir endlich an der Reihe sind und unsere Pilgerausweise
vorlegen, ist er beeindruckt. Mit uns spricht er jedoch zum Glück nicht so
lange, wie mit den jungen Frauen. Er will als Gegenleistung für die
Übernachtung von jedem Pilger nur eine Spende haben und auch nur dann, wenn man
es sich leisten kann. Wir können. Die Herberge wird von Niederländern geführt.
Im Keller ist der Schlafraum, in dem wir heute „ruhen“ dürfen. Die Herberge ist
die größte, die wir bisher gesehen haben. Wir schätzen, dass hier locker 250
Menschen für eine Nacht eingepfercht werden. Allein in unserem Schlafsaal mögen
es 50 sein.
    Nachdem wir unsere Sachen auf
unsere Betten abgelegt haben, wollen wir uns auf den Weg machen und eine
Fahrradwerkstatt aufsuchen, um Siggis Rad reparieren zulassen. Der
Herbergsvater erklärt uns den Weg. Der sollte leicht zu finden sein, denn in
dem Ortsteil, wo die Werkstatt ist, sind die Straßen schachbrettartig angelegt.
Also auf geht’s. Natürlich bergauf, was sonst. Wir haben die Straße, wo wir
abbiegen sollten, wohl verfehlt, denn die Werkstatt finden wir zunächst nicht
und fragen darum bei einer Polizeidienststelle. Mit den neuen Informationen
klappt es aber auf Anhieb.
    In den Schaufensterauslagen ist
die Technik der Neuzeit ausgestellt. Alles was das Herz begehrt. Im krassen
Gegensatz dazu stehen der Ladeninhaber und seine Frau. Deren äußeren Anschein
nach sind sie zusammen locker 130 Jahre alt. Als wir ihm das Problem mit Siggis
Rad schildern, habe ich so meine Zweifel, dass er das Fahrrad hinbekommt. Und
wenn, dann wie? Wir wollen warten, aber er schickt uns weg und wir dürfen erst
in anderthalb Stunden wiederkommen. Hoffentlich geht das gut.
    Wir gehen zur Hauptstraße hoch und
lassen uns vor einem Café nieder. Standesgemäß bestellen wir Tinto de Verano.
Der schmeckt aber grottenschlecht. So nehmen wir als 2. Drink alle ein Bier.
Und noch eines. Die Zeit will nicht verrinnen. So füllen wir unseren Boxenstop
noch mit Toilettenbesuchen und einem weiteren Bier. Der Wind ist wahnsinnig
stark und böig geworden. Einen Metallstuhl zieht es wie von Geisterhand in
Richtung Straße. Timo rennt hinter ihm her und rettet ihn vor dem Überfahren.
Das ist noch ein Bier wert – oder?
    Nun denken wir, dass wir nach dem
Patienten sehen können. Der Händler präsentiert stolz seine Arbeit. Bremsbeläge
tauschen, Hinterrad ausbauen, Speiche einsetzen, Hinterrad zentrieren, wieder
einbauen und testen, das alles für 20 €. Siggi strahlt und gibt ihm 25€. Der
strahlt jetzt auch. Alles super. Nun brauchen wir vor der nächsten Abfahrt
keine Angst mehr zu haben, denn eine Bergetappe steht uns noch bevor. Es wird
nach O’Cebreiro auf die höchste Erhebung des Jakobsweges gehen. Und wir haben
schon einige mächtige

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