Den Jakobsweg erfahren
In dem ersten
Raum, der uns zugewiesen wird, passt keine Hand mehr hinein. Ich versuche, dass
der Herbergsdame zu erklären, aber sie kann oder will mich nicht verstehen.
Ein italienischer Radpilger hilft
zum Glück bei der Übersetzung. Dann dürfen wir eine Etage höher. Hier finden
wir gerade noch so jeder ein Bett in den mit Hochbetten vollgestopften Raum.
Nach der wohltuenden Dusche kehren wir einige Straßen weiter in einem Lokal zum
Essen ein. Heute ist Christi Himmelfahrt und damit auch Vatertag. Den wollen
wir auch gebührend feiern. Und das machen wir auch. Drei Flaschen Wein und für
jeden drei Baccardi als Nachtisch runden den Tag ab.
65,2 gefahrene km, gesamt 2546 km
5:48 gefahrene Zeit, gesamt 160,03
Std.
11,4 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit
18.05.2012
Freitag
Tag 28
Melide (E) – Santiago
de Compostela (E)
Um 08:00 Uhr, als die meisten
Fußpilger bereits auf dem Weg sind, machen wir uns frisch, packen und beladen
unsere Räder. Wir gehen in das Lokal von gestern. Hier gibt es auch Frühstück.
Der Inhaber hat schon gestern in einer Miniküche in Windeseile alles mögliche
gezaubert. Seine Frau bedient. Echt sehenswert, dieses eingespielte Team. Wir
bestellen Brötchen mit Schinken und Käse, Orangensaft und Kaffee. Das ist
wirklich super. Erst ist das Lokal noch gut gefüllt, dann leert es sich
zusehends. Schließlich sind wir beinahe allein. Die Fußpilger haben es eiliger
als wir. Es nützt aber nichts, wir wollen auch weiter, denn morgen ist Regen
angesagt, und wir wollen im Sonnenschein ankommen. Das sollte klappen, denn die
brennt schon jetzt heftig.
Heute ist weder von der
Brasilianerin, noch von Carlos und Sarah etwas zu sehen.
Wie üblich geht der Weg über Berg
und Tal immer hoch und runter. Um 11:00 Uhr ist es für Siggi und für mich spät
genug für einen Tinto. Timo streikt, lässt sich nicht wie abgemacht überstimmen
und schwört erst einen zu trinken, wenn es nur noch bergab geht. Das könnte
kurz vor der Landung in Münster sein. Stattdessen nimmt er eine Cola. Eine
Katze wird ihm zu aufdringlich, daher wird sie von ihm vertrieben. So eine
kleine, unschuldige, ganz Süße. Siggi und ich meckern mit ihm. So etwas macht
man doch nicht. Timo will das aber nicht so richtig einsehen.
Die ganze Terrasse ist voller
Pilger, zum Teil zu Fuß, zum Teil per Rad, die hier auftanken. Aus der Küche
riecht es lecker. Wir bestellen noch ein Getränk und ein Käsebrot. Das gibt
Kraft. Bei der Getränkeauswahl bleibt Timo hart. Als unser Akku wieder voll
ist, hält es uns nicht länger und wir satteln auf.
Nach etwa 35 gefahrenen Kilometern
sehen wir eine Herberge. Oder sollen wir für heute hier doch Schluss machen und
morgen den Rest abspulen? Für die Übernachtung im Gemeinschaftsraum möchten man
15 € von den armen Pilgern abziehen. Ein Fußpilger, der am Ende ist, hat kaum
eine andere Wahl, er wird hier einkehren. Wir haben aber eine andere. Wir fahren
durch, dass ist ganz sicher.
Im Vorbeifahren sehe ich ein STOP
– Schild, auf dem jemand unter den „STOP“ den Spruch „in the name of love“
geschrieben hat. Irgendwie gut. Im nächsten Ort machen wir Stop. Timo und Siggi
setzen sich auf die Veranda und ich gehe hinein um zu bestellen. Als ich
hereinkomme, spricht die junge Kellnerin mit einem Gast. Wenn ich hätte
schwören müssen, hätte ich geschworen, dass sie sich auf deutsch unterhalten
haben. Deswegen spreche ich sie auf deutsch an. Achselzucken. Dann schwenke ich
auf spanisch um und bestelle tres grande cervecas por favor. Das klappt. Für
einen kurzen Augenblick mache ich mir Sorgen. War das vielleicht ein
Hirngespinst?
Als die junge Maid das erste Glas
unter den Zapfhahn hält und gerade das köstliche Nass einfüllen will, kommt nur
Luft aus dem Hahn. Das Fass ist leer. Sie sagt etwas auf Spanisch, was ich als:
„Das Fass ist leer“ für mich übersetze. Sie verschwindet um ein Neues zu holen.
Ich hätte ihr gerne geholfen, aber meine Spanischkenntnisse reichen für einen
solch komplizierten Fragesatz nicht aus. Den Gedanken habe ich gerade durch, da
sind Siggi und Timo wohl ungeduldig geworden, denn Siggi kommt in die
Gaststätte, um zu sehen, was los ist. In diesem Moment rollt die junge Frau ein
neues Fass in den Schankraum. Als er die nette Frau sieht, denkt er schon
wieder sonst etwas. Meine Erklärung mit dem Fass wird in Zweifel gezogen. Echte
Freunde.
Draußen lassen wir uns das Bier
schmecken. Eine deutsche Pilgergruppe, die nur aus Frauen besteht,
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